Billy Graham - WERNER KREUSCH
Logos - Glauben und Zweifeln
Der Erfolg evangelikaler Bewegungen
"Ekstatisch und asketisch" - Warum evangelikale Bewegungen so erfolgreich sind
19. Februar 2022, 19:05
Schwungvoll, glaubensfest und modern: So präsentieren sich evangelikale Bewegungen nach außen hin. Dabei vertreten die meisten dieser Gruppen ein strenges, an der wörtlichen Auslegung der Bibel orientiertes Christentum. Ekstatisch und asketisch zugleich: Mit dieser Mischung ziehen evangelikale Bewegungen in aller Welt Millionen Gläubige in ihren Bann.
"Global betrachtet erleben wir ein rasantes Wachstum evangelikaler Strömungen", erklärt der Theologe Frank Hinkelmann, der viele Jahre lang zum Thema geforscht hat: "Man schätzt, dass es heute weltweit zwischen 400 und 600 Millionen evangelikale Christen gibt." Vor allem in Afrika und Lateinamerika expandieren die Evangelikalen, dank einer aggressiven Missionierung. Und in erster Linie - aber nicht nur - auf Kosten der katholischen und der offiziellen protestantischen Kirchen.
Dabei ist es gar nicht so einfach zu definieren, welche Gruppierungen "evangelikal" sind und welche nicht. Der Begriff ist eine Rückübersetzung aus dem Englischen. Im deutschen Sprachraum kam das Wort erst in den 1970er-Jahren in Umlauf, als der Erweckungsprediger Billy Graham auf Missions-Tour in Deutschland war. Im Wesentlichen zählt man so unterschiedliche Formationen wie die "Churches of Christ", die Heilsarmee und die "Siebenten-Tags-Adventisten" zu den "Evangelikalen", vor allem aber auch verschiedene Gruppen aus dem pietistischen und täuferischen Spektrum. Religionsgeschichtlich gehen so gut wie alle diese Gruppierungen auf die radikalen Strömungen der Reformation im 16. und 17. Jahrhundert zurück.
Puritanismus, Pietismus und Methodismus - das sind die drei großen religiösen Bewegungen der Vergangenheit, aus denen sich der moderne Evangelikalismus speist. Wobei die "Evangelisch-methodistische Kirche in Österreich" Wert darauflegt - wie viele methodistische Kirchen - nicht dem evangelikalen Spektrum zugeordnet zu werden. "Unserer Kirche fehlen wesentliche Merkmale evangelikaler Gemeinschaften", erklärt dazu Stefan Schröckenfuchs, Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich: "Evangelikalismus ist zum Beispiel häufig mit der Ablehnung der historisch-kritischen Interpretation der Bibel verbunden. Glaube und Wissenschaft sind für Methodistinnen und Methodisten jedoch keine Gegensätze. Im Gegenteil, theologisches Denken wird bei uns durch die Erkenntnisse der Religionswissenschaften, der Archäologie und anderer Disziplinen bereichert und kann sich so weiterentwickeln." - Gestaltung: Günter Kaindlstorfer
Service
LITERATUR:
- Frederik Elwert, Martin Radermacher und Jens Schlamelcher (Hrsg.): "Handbuch Evangelikalismus", transcript-Verlag
- Bernd Vogt: "Missbraucht im Namen des Herrn - Die Geschichte einer gestohlenen Kindheit in einer Evangelischen Freikirche", BoD - Books on Demand
- Frank Hinkelmann: "Kirchen, Freikirchen und christliche Gemeinschaften in Österreich", Böhlau-Verlag
- Frank Hinkelmann: "Evangelikal in Deutschland, Österreich und der Schweiz - Ursprung, Bedeutung und Rezeption eines Begriffs", Verlag für Kultur und Wissenschaft
- Frank Hinkelmann: "Die Anfänge der Pfingstbewegung in Österreich - 1919-1945", Verlag für Kultur und Wissenschaft