Zwischenruf
Christian Herret über Trennendes, Einendes und Kaffee
Von Christian Herret, er ist in der Öffentlichkeitsarbeit der Dreikönigsaktion der katholischen Jungschar tätig
27. Februar 2022, 06:55
"Wien Oida, Bec Oida"
Es ist Sonntagmorgen, vor mir steht ein Häferl Kaffee.- Wie jeden Morgen. Das gehört zu unserer Kultur.
Die Legende berichtet, dass die Türken als sie ihre Belagerung von Wien im Jahr 1683 abbrechen mussten, 500 Säcke Kaffee zurückließen. Ein findiger polnischer Kaufmann eröffnete damit das erste Wiener Kaffeehaus. Unsere Kaffeekultur: eine Melange aus polnischem Geschäftssinn, türkischem Geschmack und Wiener Genussverständnis.
Ich lese in einer Zeitung, "Das Land sei gespalten." Ich lese das nicht zum ersten Mal. Viele Medien erzählen uns diese Geschichte immer wieder: Waren es vorher die Geflüchteten, ist es jetzt die Pandemie, die unsere Gesellschaft spaltet. Die Einheit der Nation ist in Gefahr.
Ich mache mir um Österreich keine Sorgen. Und das hat mehrere Gründe:
Erstens habe ich ja nie etwas mit dem Begriff der Nation anfangen können. Was soll das sein? Der Duden definiert den Begriff folgendermaßen: "Eine Nation ist eine große, meist geschlossen siedelnde Gemeinschaft von Menschen mit gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache, Kultur, die ein politisches Staatswesen bilden."
"Gleiche Abstammung, Geschichte, Sprache, Kultur"? Das widerspricht ziemlich genau dem, was dieses Land so lebens- und liebenswert macht. Meine Mutter ist im heutigen Tschechien auf die Welt gekommen. Die Familie meines Vaters stammt aus Simmering. Meine Nachbarn kommen aus Serbien, Nordmazedonien und der Steiermark.
Zweitens: Ich bin ein alter Sternsinger-Fan. Von Kindheit an fasziniert und begleitet mich der christliche Brauch: Kinder gehen von Tür zu Tür und bringen Segenswünsche für das anbrechende Jahr. Dabei ist es vollkommen egal, wer hinter diesen Türen lebt. Ob und an welchen Gott die Menschen glauben, welche politische Überzeugung sie haben, wo sie herkommen, ob sie arm oder reich sind.
Nichts was in der Welt der Erwachsenen die Menschen voneinander trennt, spielt hier eine Rolle. Mehr noch: die gesammelten Sternsingerspenden helfen auf der ganzen Welt. Christlicher Nächstenliebe ist es halt auch vollkommen egal, ob die Nächste neben mir steht, oder in tausenden Kilometer Entfernung auf einem anderen Kontinent lebt. Es sind die Kinder, die uns zeigen, wie das geht.
Drittens - und das bringt die Initiative "Du und ich ist Österreich" so schön auf den Punkt, haben wir eine lange Tradition das Verbindende vor das Trennende zu stellen. Wien wurde so zur Weltstadt. Gegensätze, verschiedenen Sichtweisen, verschiedene Kulturen machen uns aus. Wenn wir respektvoll und wertschätzend mit dem Anders sein umgehen, macht uns das stärker. Und Zusammenhalt und Stärke brauchen wir in diesen Tagen mehr denn je: Die Pandemie ist ein vergleichsweise kleines Problem, dem wir uns als Menschheit stellen müssen. Die Klimakatastrophe wird uns da noch viel mehr abverlangen.
Ob "Wien oida, Bec oida.", "die Sternsinger san do" oder die ORF Initiative "lasstunsreden,at". Das alles trifft den Kern unserer Kultur. Oder wie unser Herr Bundespräsident in Abwandlung des Zitats sagen könnte: "So sind wir halt."
Du und ich, egal wo du herkommst, egal ob du Wienerin, Nicht-Wiener, ob österreichische Staatsbürgerschaft, ob du dich divers, weiblich, oder männlich siehst, ob du in Simmering, Serbien, Indien oder aus Wiener Sicht hinter dem Arlberg das Licht der Welt erblickt hast, das Alles ist Österreich. Gerade das macht uns Besonders.
Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Krzysztof Dobrek
Album: 'S GEHT EH
Titel: Tango Nr.9 /instr./live
Solist/Solistin: Krzysztof Dobrek /Akkordeon
Solist/Solistin: Aliosha Biz /Violine
Solist/Solistin: Marwan Abado /Oud
Solist/Solistin: Roland Neuwirth /Kontragitarre
Solist/Solistin: Alegre Correa /Gitarre
Länge: 06:01 min
Label: Dobrecords/edel 03