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Gedanken für den Tag
"Das Unerlaubte sitzt dir im Herzen"
"Der unbändige Ketzer - Zum 100. Geburtstag von Pier Paolo Pasolini" von Otto Friedrich, Religionsjournalist und Filmkritiker bei der Wochenzeitung "Die Furche"
28. Februar 2022, 06:56
"Das Unerlaubte sitzt dir im Herzen"
Er gehört zu den prägendsten Vordenkern im Nachkriegsitalien. Und lebte gerade 53 Jahre. Dieser Tage wäre Pier Paolo Pasolini 100 Jahre alt geworden.
Der intellektuelle Tausendsassa entzieht sich jeder Einordnung: Die katholische Kirche, mit der er brechen musste, prägte ihn nachhaltig - und ließ ihn nicht los. Die Kommunistische Partei, der er 1947 in Friaul, wo er als junger und beliebter Lehrer tätig war, beitrat, schloss ihn schon zwei Jahre später wegen seiner Homosexualität aus. Erst an seinem Sarg gab ihm die KPI das Parteibuch zurück.
Auch wenn Pasolini der Nachwelt vor allem über seine Filme in Erinnerung bleibt, war er viel mehr: ein begnadeter Pädagoge, Linguist und Kämpfer für das Friulanische, ein Dichter, Romanschriftsteller, Drehbuchautor, Schauspieler, politischer Essayist, Maler und eben Schöpfer von zwei Dutzend Filmen in nur 14 Jahren.
Auf einen wie Pasolini passt auch keine gängige Kategorie öffentlicher Charakteristik: Für die katholische Kirche - jedenfalls für deren konservativ-politischen Flügel - war er ein Ketzer, einer, mit inakzeptablem Lebenswandel, der die moralischen, sprich: sexualneurotischen Standards der Kirche nicht nur nicht lebte, sondern mit seinen Werken auch hinterfragte. Interessanterweise war auch für die kommunistische Bewegung die "zweifelhafte" Moral Pasolinis nicht tragbar, und als dann im Gefolge der 1968er der sexuelle Rigorismus bei den Linken aufbrach, wurde Pasolinis Nonkonformismus schnell als reaktionär gebrandmarkt.
Ein Ketzer auf allen Linien also. Ein unmoralischer Heiliger.
In der Sammlung "Die Nachtigall der katholischen Kirche" schreibt er in einem Gedicht:
Sei also ein Besessener
der kein Heilmittel sucht.
Das Unerlaubte sitzt dir im Herzen
und nur dies gilt.
Lach über die natürlich
tausendjährige Scham.
Service
Buch:
Aus: L'illecito/Das Unerlaubte. In: Pier Paolo Pasolini: Die Nachtigall der katholischen Kirche. Gedichte. Aus dem Italienischen von Toni und Bettina Kienlechner. Piper. München 1989, (S. 71)
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Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Stefano Battaglia geb.1965
Vorlage: Pier Paolo Pasolini 1922 - 1975
Album: RE: PASOLINI
Titel: Canzone di Laura Betti/instr.
Solist/Solistin: Stefano Battaglia
Ausführender/Ausführende: Michael Gassmann
Ausführender/Ausführende: Aya Shimura
Ausführender/Ausführende: Salvatore Maiore
Ausführender/Ausführende: Roberto Dani
Länge: 05:00 min
Label: ECM Records 1998/99 / 1716738 (2 CD)