Ein Porträt von Pier Paolo Pasolini hängt in einer Ausstellung

AP/MARKUS SCHREIBER

Gedanken für den Tag

"Der unbändige Ketzer - Zum 100. Geburtstag von Pier Paolo Pasolini" von Otto Friedrich, Religionsjournalist und Filmkritiker bei der Wochenzeitung "Die Furche"

Der Zwiespältige

Pier Paolo Pasolini war ein linker Denker, der bei den Linken aneckte, und gleich-zeitig ein katholischer Häretiker, der von seiner Kirche nie loskam. Ein Zweifler, ein Gespaltener, der Freund wie Feind vor den Kopf stieß.
In den 1975 als "Freibeuterschriften" herausgebrachten Essays wird Pasolinis am-bivalentes Verhältnis zu den 1968-ern unübersehbar. "Die Zerstörung der Kultur des Einzelnen durch die Konsumgesellschaft" - der Untertitel markiert die Position. Dass die bürgerliche Mittelschicht ihre klerikal-faschistische Ausrichtung seiner Meinung nach zum Konsumismus umgebogen hat, nimmt er nicht hin: Man könne behaupten, schreibt er, "dass die vom neuen System von Herrschaft gewollte Ideologie hedonistischer ,Toleranz' die schlimmste aller Repressionen der Menschheitsgeschichte" sei.

Pasolini spricht in diesen Texten auch vom "Faschismus der Antifaschisten", was enormen Widerspruch hervorrief.
Noch mehr eckte er, der seine Homosexualität auslebte, mit seinem flammenden Plädoyer gegen die Freigabe der Abtreibung an, die er wegen der für ihn damit einhergehenden "sexuellen Permissivität" entschieden ablehnte. Dagegen setzt er in den Freibeuterschriften auch auf eine dem Evangelium verpflichtete Kirche als Bollwerk gegen den Konsumismus.

In einem Gedicht aus dieser Zeit schreibt Pasolini:
Wie sagte Euripides: "Die Demokratie beruht
auf diesen einfachen Worten:
Wer kann seinem Vaterland ein paar sinnvolle Ratschläge erteilen?"
Meine Ratschläge werden die eines gemäßigten Wahnsinnigen sein.
Nach meinem Tod wird man mich daher auch nicht vermissen:
Der Zwiespalt besteht, solange der Zwiespältige lebt.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Stefano Battaglia geb.1965
Vorlage: Pier Paolo Pasolini 1922 - 1975
Album: RE: PASOLINI
Titel: Pasolini/instr.
Solist/Solistin: Stefano Battaglia
Ausführender/Ausführende: Dominique Pifarely
Ausführender/Ausführende: Vincent Courtois
Ausführender/Ausführende: Bruno Chevillon
Ausführender/Ausführende: Michele Rabbia
Länge: 04:04 min
Label: ECM Records 1998/99 / 1716738 (2 CD)

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