Adolf Eichmann

AP/STR

Ö1 Hörspiel

Ein Prozess schreibt Rundfunkgeschichte

"Adolf Eichmann - Ein Hörprozess" von Noam Brusilovsky und Ofer Waldman. Mit Walter Kreye, Dirk Müller, Veit Schubert, Shelly Kupferberg, Axel Sichrovsky, Vernesa Berbo, Ramona Olasz, Aviran Edri, Orit Nahmias, Benny Claessens, Rainer Sellien, Jaron Löwenberg, Yeva Lapsker, Guy Aviad, Tamar Aviad und Helene Lilien Voigt. Regie: Noam Brusilovsky. Redaktion: Juliane Schmidt (rbb/ DLF 2021)

Das Bild ging um die Welt: Adolf Eichmann, Organisator der Deportationen zur Vernichtung der europäischen Juden während der NS-Zeit, sitzt in einer gläsernen Kabine und hört über Kopfhörer die Simultanübersetzung der Anklage durch das Jerusalemer Bezirksgericht 1961. Zeuginnen und Zeugen aus allen europäischen Ländern, aus den Ghettos und aus den Todes- und Arbeitslagern berichten vom Alltag der Verfolgung und Vernichtung. In das kollektive Gedächtnis der Israelis brannte sich ein zweites Bild ein: die ganze Nation sitzt gebannt vor den Radioempfängern. Denn zum ersten Mal in der Aufarbeitung der NS-Verbrechen blieben die Aussagen aus dem Zeugenstuhl nicht innerhalb des Gerichtssaals, sondern wurden, wie auch die Aussagen Eichmanns, die Stimmen der Anklage, der Verteidigung und der Richter, live in die Häuser und Wohnungen in ganz Israel übertragen, durch das Radio. Zum ersten Mal drang damit die Realität des Holocaust in seiner ganzen Dimension, das, was bisher oft verdrängt oder beschwiegen worden war, an die Ohren der Öffentlichkeit. Eine neue, nunmehr ausgesprochene Erzählung der Shoa brach sich Bahn. Das dokumentarische Hörspiel erzählt die Geschichte dieses Prozesses - aus Sicht der Radiomacher beim damaligen öffentlich-rechtlichen israelischen Rundfunk "Kol Israel".

"Adolf Eichmann - Ein Hörprozess" von Noam Brusilovsky und Ofer Waldman wurde mit dem Deutschen Hörspielpreis der ARD 2021 ausgezeichnet.

Aus der Jurybegründung: "Die besondere Leistung dieses dokumentarischen O-Ton Hörspiels besteht darin, dass es sich nicht auf die Person Eichmann fixiert, sondern stattdessen die Bedeutung dieses Prozesses für die junge israelische Gesellschaft und die Rolle, die dabei das Radio spielte, eindrücklich aufzeigt und verhandelt. ... Durch ihre Auswahl und dramaturgische Gestaltung der Prozessberichterstattung im Radio und ihrer Rezeption bringen uns die Hörspielmacher eine junge demokratische Gesellschaft in intensiver Diskussion um das Schicksal der Juden und die Gegenwart und Zukunft des Staates Israel nahe. So wird zugleich einem radikalen Gegenentwurf eines demokratischen Radios zum gleichgeschalteten Propagandainstrument der Nationalsozialisten ein akustisches Denkmal gesetzt. Die Essenz des Hörspiels spiegelt sich für uns in dem berühmten Zitat des Auschwitz-Überlebenden und Psychotherapeuten Viktor Frankl: "... trotzdem Ja zum Leben sagen'."

Service

Hannah Arendt: "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen", Piper.
Claude Lanzmann: "Shoah", dtv
Claude Lanzmann: "Der Letzte der Ungerechten". Rowolth

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