Barbara Maier über Das Umgreifende, wodurch wir existieren

16. März 2022, 06:56

Was für eine Wortschöpfung von Karl Jaspers! Das sogenannte Umgreifende umgreift das Woher - das Wohin - das Wodurch - wir Menschen sind. Damit ist nicht ein Jenseits, eine religiöse Heilslehre, ein esoterischer Glaube gemeint, sondern das, wodurch wir existieren.
Im Hier und Jetzt leben wir ein alltägliches Dasein. Wir leben expansiv statt intensiv. Umso hilfloser stehen wir da, wenn unsere vermeintlichen Sicherheiten erschüttert werden, sei es durch Krieg, Klimakatastrophen oder durch eine Pandemie.
Wir lenken uns durch die Mannigfaltigkeit möglichen Erlebens ab. Dieses Dasein hat keine Tiefe mehr im Sein. Transzendenz ist ins Dasein hinein verschwunden.
Der Ursprung unserer Existenz liegt aber in der Transzendenz. Sie umgreift die Existenz. Unser Ursprung liegt quasi hinter den sichtbaren Erscheinungen unseres Daseins - an dessen Grenzen.
Existenz ist, was der Mensch sein kann. Sie ist auf andere Menschen gerichtet, sie ist bestimmt durch die Freiheit, in der der Mensch sich selbst wählt - in der Kommunikation, in der Beziehung, in der Liebe. In der Liebe begegnet der Mensch dem Umgreifenden, es begegnet eine Existenz, so Jaspers, einer anderen Existenz.
Der Mensch ist grundsätzlich mehr als er von sich wissen kann, dazu aber muss er existieren, nicht bloß da sein. Die Wirklichkeit seiner Existenz ist nicht SOSEIN, sie ist sein SEINKÖNNEN.

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