
AP/MARK BAKER
Gedanken für den Tag
Rainer Bucher über Was wir heute planen
"Wenn nichts bleibt, wie es war - Zur Ambivalenz der Zukunft" von Rainer Bucher, Professor für Pastoraltheologie an der Karl-Franzens-Universität Graz
22. März 2022, 06:56
Wir sind nicht die souveränen Herren unserer Gegenwart und schon gar nicht unserer Zukunft, wie die klassische Moderne es glauben machen wollte. Wir beherrschen die Gegenwart nicht, wir unterliegen ihr. Nicht gänzlich, aber mehr als uns lieb ist.
Der Grund dafür ist tatsächlich ein wenig beunruhigend: Die von uns in Gang gesetzten technologischen und kulturellen Entwicklungen übersteigen in ihrer Komplexität unsere Einsichtsfähigkeiten und unsere Steuerungsmöglichkeiten. Neue Phänomene entstehen durch uns, vernetzen sich hinter unserem Rücken und tauchen vor uns als Überraschungen auf: Niemand wollte den Klimawandel oder die fatalen gesellschaftlichen Folgen der sozialen Medien. Aber wir sind an ihrem Entstehen ziemlich eindeutig beteiligt.
Dass Neues kommt, wussten Menschen schon immer, dass das Neue aber dann bisweilen außerhalb unserer Vorstellungskraft liegt, das ist wirklich neu. Die zentrale spätmoderne Erkenntnis besteht darin, dass es anders kommen wird, als geplant. Mit Armin Nassehi, dem Münchner Soziologen gesprochen: Wir leben "nicht in einer kausalen", sondern in einer "stochastischen Welt", wo bestenfalls Wahrscheinlichkeiten berechenbar sind - und auch die nur bedingt.
Man beginnt zudem erst zu ahnen, was schon die bisherigen Umwälzungen bereits alles auf den Kopf gestellt haben und noch auf den Kopf stellen werden: die Digitalisierung etwa, oder die Neuchoreografie der Geschlechterverhältnisse, die ökonomische, mediale und verkehrstechnische Globalisierung und die lokale Entbettung von Kulturen und Religionen.
Das Neue am Neuen dürfte darin liegen, dass der Wandel schneller und anders geschieht, als unser Begreifen und Planen es sich denken wollte. Die spätmoderne Gegenwart ahnt die Brüchigkeit der modernen Logik der Projekte. Sie baut weiter an der Welt der Zukunft, als Ergebnis ihres Willens, aber sie ahnt, dass es ganz anders kommen wird. Was wir heute planen, wird die Zukunft mitbestimmen, aber wie, wissen wir nicht wirklich.
Das kränkt schon ziemlich arg.
Service
Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes
Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Alexander Glasunow 1865 - 1936
Titel: DIE JAHRESZEITEN op.67 - Ballett in einem Akt und vier Szenen von Marius Petipa / Gesamtaufnahme
* Szene 2 : Le Printemps (00:04:44)
Anderssprachiger Titel: Les Saisons
Solist/Solistin: Oscar Shumsky
Orchester: Scottish National Orchestra
Leitung: Neeme Järvi
Ausführender/Ausführende: Oscar SHUMSKY 23.3.1917 Philadelphia - 24.7.2000 New York
Länge: 04:44 min
Label: Chandos 8596