Kleiner Wasserfall, Ente im Abflug

AP/MARK BAKER

Gedanken für den Tag

Rainer Bucher über Schlag gegen den Narzissmus

"Wenn nichts bleibt, wie es war - Zur Ambivalenz der Zukunft" von Rainer Bucher, Professor für Pastoraltheologie an der Karl-Franzens-Universität Graz

Der Soziologe Heinz Bude hielt als die zentrale Erfahrung der Coronakrise die "Entdeckung der eigenen Verwundbarkeit im gemeinsamen Leben" fest. Das sei ein "harter Schlag gegen den Narzissmus des Selbst", denn "plötzlich scheinen wir alle solidaritätsbedürftig zu sein", wo man doch gern ein "starkes Selbst sein" wolle, das sich seine eigene Resilienz hart erarbeitet hat.
Aber wir sind das eben nicht, ein starkes Selbst. Wir sind auch schwach und gefährdet. Es geht also darum, dass alle einen Ort haben, wo man Sorge trägt füreinander und füreinander einsteht. Solidaritäten braucht es jetzt und Fürsorge, freilich ohne sich die Freiheit zu nehmen und die Luft zum Leben abzuschneiden.
Dies zeigt die Coronakrise und die Klimakrise wird es noch zuspitzen: die Erfahrung der kollektiven Verwundbarkeit, wie die Notwendigkeit, füreinander Sorge zu tragen, ohne die Freiheit zu opfern. Man darf gesellschaftliche Krisen nicht beim einzelnen abladen. Die Moralisierung des Alltagsverhaltens entspricht dabei paradoxerweise der neoliberalen Verantwortlichungmachung des einzelnen für seinen gesellschaftlichen Erfolg oder Misserfolg.
Sicher: es ist sinnvoll, sich klimagerecht zu verhalten, allein schon, weil es meist ein gesünderes und ruhigeres Leben bedeutet. Aber das rettet die Welt nicht. Vor allem aber, darf man nicht Menschen individuell verantwortlich machen, für eine globale makroökonomische und makroökologische Krise.
Man muss vielmehr ein nationales wie internationales Regelungssystem aufbauen, das klimaschädliches Verhalten ökonomisch, politisch und rechtlich sanktioniert. Man muss Überzeugungsgemeinschaften bilden, die dies vorantreiben. Man muss füreinander Sorge tragen - und dabei die Grundfreiheiten eines demokratischen Rechtsstaates bewahren. Wir brauchen dafür eine aufgeklärte Bevölkerung und redliche und ehrliche politische Eliten hier und weltweit.
Man kann vor beidem Angst haben: vor der Ökodiktatur, wenn die Zeit der Verharmlosung einmal vorbei sein wird, wie vor den sozialen Folgen eines Klimawandels, der die reichen Länder letztlich eher weniger, die armen Länder aber heftig treffen wird.
Solidarität mit den kommenden Generationen und mit den armen Ländern, das ist gefordert. Das wird definieren, wer wir sind.

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Claude Debussy 1862 - 1918
Album: CLAUDE DEBUSSY: DIE MEISTERWERKE
Titel: Rondes de Printemps - Nr.3 aus "Images" für Orchester
Anderssprachiger Titel: Frühlingsreigen
Orchester: Cleveland Orchestra
Leitung: Pierre Boulez
Länge: 08:05 min
Label: CBS 42553

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