Carl Amery

DPA/MARTIN GERTEN

Gedanken für den Tag

Cornelius Hell über In Rufweite der Kirchtürme

"Zorn und Gelächter" - Zum 100. Geburtstag des Schriftstellers Carl Amery
von Cornelius Hell, Literaturkritiker und Übersetzer

Bis ins hohe Alter hinein zornig sein und lachen können - das habe ich an dem deutschen Schriftsteller und Umweltaktivisten Carl Amery so sehr gemocht.
Nicht mittelmäßig und ausgewogen zu sein, sondern zornig über Dummheit und Unrecht, über die Zerstörung der Mitwelt, die Arroganz der Macht und den totalen Markt. Und das schallende Gelächter, um nicht verbissen zu werden in der Kritik und die Lebensfreude nicht zu verlieren. Mit der sonoren Stimme von Carl Amery war das umso wirkungsvoller.

Oft habe ich diese Stimme gehört, jeden Herbst, wenn wir - eine Gruppe von Philosophen, Historikern und Intellektuellen, die aus dem Katholizismus kommen und ihre Probleme mit dieser Tradition haben - uns in dem Städtchen Königsberg in Unterfranken trafen. Und vor allem im Oktober 1999, als er mir für ein ORF-Menschenbild sein Leben erzählte. Wir saßen dabei in der Küche seiner Münchener Wohnung - jener Wohnung, in der Carl Amery schon seine ersten Lebensjahre verbracht hatte.

Er hieß eigentlich Christian Mayer, aber weil sein erster Verleger meinte, so könne man nicht heißen als Schriftsteller, bastelte er aus seinem Familiennamen das Anagramm Amery. Aufgewachsen ist er hauptsächlich in Freising, "in Rufweite der Kirchtürme", wie er einmal schrieb. Katholische Gruppierungen und die Einsichten seines Vaters, der Historiker war - das war sein Rückhalt gegen den Nationalsozialismus.

Um bayrische Kirchen kreisen auch zwei Romane von Carl Amery: Die Wallfahrtskirche von Tuntenhausen steht im Mittelpunkt eines Panoramas von vier Jahrhunderten, das der Roman "Die Wallfahrer" aufspannt, und im satirischen Roman "Die Krypta" spielt der Dom vom Passau eine wichtige Rolle. Soeben hat der Luchterhand Verlag die beiden Bücher neu aufgelegt - in einem Band mit dem schönen Titel "Durchbruch ins dunkle Glück".

Im Frühling 2002 spazierte ich mit Carl Amery auf der Landstraße auf die Wallfahrtskirche Tuntenhausen zu - zu seinem 80. Geburtstag drehten wir ein Porträt für die Fernsehsendung "FeierAbend".
Wie oft er auch bei diesen Aufnahmen herzlich gelacht hat! Das klingt noch so stark in mir nach, dass ich es nicht begreifen kann, dass Carl Amery schon seit 2005 tot ist und am 9. April 100 Jahre alt geworden wäre.

Service

Buchhinweis:
Hitler als Vorläufer. Ausschwitz - der Beginn des 21. Jahrhunderts? Sammlung Luchterhand, 2002

Durchbruch ins dunkle Glück."Die Wallfahrer" und "Das Geheimnis der Krypta". Zwei Romane in einem Band. Luchterhand Literaturverlag, 2022

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Camille Saint Saens 1835 - 1921
Titel: Sonate für Fagott und Klavier op.168
* Andantino < 1.Satz > - Allegro scherzando < 2.Satz > - Molto adagio - Allegro moderato < 3.Satz >
Solist/Solistin: Rino Vernizzi
Solist/Solistin: Pietro Spada
Länge: 11:34 min
Label: Koch Europa 350209

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