Der Fall durch das soziale Netz

31. März 2022, 13:00

"Mitten in einer Krise, deren Folgen vom Gesundheitssystem bis hin zum Arbeitsmarkt noch lange spürbar sein werden, tritt ein Gesetz in Kraft, das all diese Problembereiche weiter verschärft", kommentiert Carmen Bayer, Sprecherin der Salzburger Armutskonferenz, das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz.

2019 wurde von der damaligen ÖVP/FPÖ Regierung die Mindestsicherung von der Sozialhilfe Neu abgelöst. Im selben Jahr kippte der Verfassungsgerichtshof Kernpunkte des Gesetzes, da unter anderem "eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Mehrkindfamilien" attestiert wurde. Seither findet sich in Österreich ein Fleckerlteppich im Bereich der Sozialunterstützung: Wer sie in welcher Höhe bekommt und wer nicht, hängt davon ab, in welchem Bundesland die betroffene Person lebt. Während Familien mit humanitärem Bleiberecht in Wien Sozialhilfe beantragen können, haben sie zum Beispiel in Niederösterreich keinerlei Anspruch und sind auf Spenden angewiesen.

Wer bekommt unter welchen Voraussetzungen in Österreich Sozialhilfe? Welches gesellschaftspolitische Ziel steht hinter dem System Sozialunterstützung und wie sieht die Praxis aus?

"Es sind Gesellschaften mit guter Verteilung, die funktionieren und sich positiv entwickeln", sagt der Sozialökonom Norman Wagner, Referent für Armuts- und Verteilungsfragen in der Arbeiterkammer Wien. "Nicht nur in den skandinavischen Ländern, sondern auch in Mittel- und Westeuropa gab es über viele Jahre eine gute Verteilung im Bereich der sozialen Unterstützung, aber das wird kontinuierlich weniger." Vergangene Woche legte die Armutskonferenz, ein Netzwerk aus 40 sozialen Organisationen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen in Österreich, einen Bericht über die Ergebnisse und Erfahrungen der letzten zwei Jahre mit der Sozialhilfe Neu in Österreich vor. Nicht Armut, sondern Armutsbetroffene würden durch das Sozialhilfegesetz Neu bekämpft, lautet die einhellige Kritik der Expert:innen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Höchstbeträge statt Mindestbeträge, Sozialhilfe statt Mindestsicherung - nach welchem Raster bewertet der Sozialstaat die Bedürfnisse und die Bedürftigkeit seine Bürger:innen? Wie hoch ist der Anteil der Sozialhilfe an den gesamten Sozialausgaben und was füttert die Neiddebatte, wenn es um den Bezug von Sozialhilfe geht? Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Bezug von Sozialhilfe? Wie sieht Ihrer Meinung nach eine gerechte Unterstützung in einem Sozialstaat aus?

Schreiben Sie an punkteins(at)orf.at oder reden Sie mit unter 0800 22 69 79

Carmen Bayer und Norman Wagner sind Gäste bei Elisabeth Scharang.

Sendereihe

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