Byzanz im Libanon

16. April 2022, 13:00

Maronitisch und melkitisch, griechisch-orthodox, griechisch-katholisch, syrisch-orthodox, syrisch-katholisch, armenisch-apostolisch, armenisch-katholisch, lateinisch, selbst protestantisch: An einer Vielfalt christlicher Erscheinungsweisen mangelt es im Libanon wahrlich nicht. Und wenn es irgendetwas Einigendes über alle unterschiedlichen Erscheinungsweisen zwischen katholisch und orthodox, griechisch und syrisch - und das Protestantische lassen wir jetzt kurz bei Seite - , wenn es irgendetwas Einigendes gibt, dann ist das eine gemeinsame musikalische Wurzel. Und deren Kraftzentrum geht bis heute von einer Stadt aus, die schon längst nicht mehr so heißt, von Byzanz.

Soeur Marie Keyrouz singt, so heißt die Schallplatte, "Byzantinische Gesänge", im Detail dann versehen mit Hinweisen wie "Maronitischer Ritus" und "style arabe" oder "style greque", je nachdem. Und für ungeübte Ohren ist das echt schwer zu unterscheiden.
Da halten wir uns zwischendurch am Karsamstag an die Kunst des 1945 im Libanon geborene Pianisten Walid Akl. Er hat nämlich neben vielen anderen Haydn-Kompositionen auch dessen "Sieben letzte Worte unseres Erlösers am Kreuze" eingespielt. Und dabei diesem kompositorischem Mysterium zu einer gnadenlos diesseitigen und schnörkellosen Mystik verholfen.

Dem Komponisten und Musikwissenschaftler Egon Wellesz wiederum verdanken wir viel Wissen über byzantinische, liturgische Musik, war er doch der erste, der eine mittelalterliche, byzantinische Notenschrift entzifferte. Und mit Joseph Haydn verbindet den in Wien geborenen Wellesz eine andere Besonderheit. 1932 verleiht ihm die Oxford University einen Ehrendoktor, somit ist er seit Joseph Haydn der zweite österreichische Komponisten, der damit gewürdigt wird. "Leidenschaftlich bewegt" sollte seine Musik gespielt werden, wünschte sich der komponierende Byzantinist - oder auch umgekehrt - Egon Wellesz und betitelte mit diesen Worten den Satz eines Streichquartetts. Leidenschaftlich scheint er sich jedenfalls in sein Fachgebiet versenkt zu haben, entziffert im Austausch mit einigen anderen frühen Byzantinisten bis dahin unlesbare Notenschriften. Langsam bekam man wissenschaftlichen Zugang zu einer längst verloren geglaubten Kunst.

Sendereihe

• Le week-end

Gestaltung

• Elke Tschaikner
• Christian Scheib