Novalis, Staalstich vom Friedrich Eduard Eichens (1845), Ausschnitt

GEMEINFREI

Gedanken für den Tag

Die Romantik war grün

Die Geburt der Moderne im Geist der deutschen Romantik - Zum 250. Geburtstag von Novalis von Wolfgang Müller-Funk, Literaturwissenschafter

"Es färbte sich die Wiese grün/ Und um die Hecken sah ich blühn,/tagtäglich sah ich neue Kräuter,/ Mild war die Luft, der Himmel heiter./ Ich wußte nicht, was mir geschah,/ und wie das wurde, was ich sah."

Was Novalis in dem scheinbar schlichten Gedicht vorträgt, ist Kern frühgrüner Philosophie. Sie beschwört die Einheit zwischen Mensch und Natur und begreift diese als ein organisches Ganzes. Deren vielfältige Erscheinungen, "Leben, Farben, Duft und Schall", werden vom Medium Mensch aufgesogen und machen eine geheimnisvolle Potenz sichtbar. Die Natur ist, der Kunst verwandt, eine schöpferische Kraft, eine natura naturans, die sich evolutionär selbst hervorbringt und sich im Menschen einen Selbstbetrachter schafft.
Diese Natur gehört allen: "Die Natur will nicht der ausschließliche Besitz eines einzigen sein. Als Eigentum verwandelt sie sich in ein böses Gift, was die Ruhe verscheucht, und die verderbliche Lust, alles in diesen Kreis des Besitzers zu ziehn, mit einem Gefolge von unendlichen Sorgen und wilden Leidenschaften herbeilockt."

Es darf kein Erstgeburtsrecht der früheren Generation gegenüber der späteren geben. Damit ist auch eine neue Ethik formuliert, die heute angesichts von Klimawandel und Raubbau an natürlichen Ressourcen höchst aktuell erscheint. Ethisch an der frühromantischen Naturphilosophie ist der Gedanke, dass die Menschheit ihren Umgang mit der Natur korrigieren und der Mensch, selbst Natur und Produkt einer geistig gedachten Natur, sein Leben ändern muss. In Novalis Augen versteht der Poet die Natur besser als der "wissenschaftliche Kopf".

Novalis weist dem Menschen eine Rolle zu, die ihn nicht als Herr und Meister über die natürliche Welt ansieht, sondern eher als deren geistigen Spiegel. Was die frühromantische Weltsicht zu überwinden trachtet, ist der Gegensatz von Kultur und Natur. Kultur wird als eine Fortführung natürlicher Prozesse verstanden, nicht als Widerpart von Natur.

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Hector Berlioz 1803 - 1869
Titel: Symphonie Fantastique op.14 - Episode aus dem Leben eines Künstlers
* Un Bal - Valse: Allegro non troppo - 2.Satz (00:06:12)
Anderssprachiger Titel: Ein Ball
Orchester: Baltimore Symphony Orchestra
Leitung: David Zinman
Länge: 06:12 min
Label: Telarc CD 80271

weiteren Inhalt einblenden