Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Georges Braque

Zerlegte Wirklichkeit - Zum 140. Geburtstag von Georges Braque.
Von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschafterin und Direktorin des Dom Museum Wien

"Es ist das Detail, das uns unterhält, lebendig macht", so Georges Braque. In Studienzeiten habe ich wenig Zugang zu der Kunst dieses intellektuellen Malers gefunden, der in der breiten Öffentlichkeit immer noch im Schatten von Pablo Picasso steht. Selbst noch jung und ungestüm, haben mich mehr die extrovertierten Künstlerinnen und Künstler mit dramatischen Biografien interessiert. Auch an Kunstwerken haben mich große Emotionen und expressive Darstellungen fasziniert. Für die Welt der "nature morte", wie sie sich auf Braques zahlreichen Stillleben wiederfindet, konnte ich mich nicht so ganz erwärmen.

Heute ist es gerade das Zurückhaltende und das Alltägliche, das mich an diesem Avantgarde-Künstler begeistert. Das Fehlen von Selbstinszenierung und ein Werk, das alles Autobiografische vermeidet, erscheinen in einer Zeit, in der Instagram-Selfies mitunter Hauptlebensinhalt sein können, extrem sympathisch. Auch die Konzentration auf die kleinen Dinge des Lebens, die erst durch den subjektiven künstlerischen Blick und die unverkennbare Darstellungsweise zu etwas Großem werden, überzeugt mich besonders.

Vor allem beindruckt mich die Konsequenz, mit der Braque seinen Weg verfolgt hat. Georges Braque hat jahrzehntelang seine Malerei unaufhörlich weiterentwickelt. Zugleich sind es wenige Themen und Motive, die er immer wieder aufs Neue studierte und malerisch variierte. Früchte, Obstkörbe, Zeitungen, Gläser, Flaschen reichen Braque, um eine vielschichtige Bildwelt zu entwickeln, die mitunter mehr über das Leben aussagt als große Erzählungen.

Georges Braques Kunst lehrt mich neben der Wertschätzung des Einfachen, dass es im Leben nicht um isolierte Dinge oder Ereignisse geht. Vielmehr zählt das, was sich an Verhältnissen zwischen den Dingen, auch zwischen den Menschen ereignet. Die Trauben, die Birne, das Glas, die Schüssel, die Braque auf dem Stillleben "Früchte auf einem Tuch" aus dem Jahr 1924 gemalt hat, sind für sich genommen wenig aufregend. Aber wie sich das Blaulila der Trauben zum Grün der Birne und dem Weiss-Beige des Glases verhält, das ist ungemein spannend. Dazu Georges Braque: "Die Gegenstände gibt es nicht! Was zählt, sind die Beziehungen. Sie sind unendlich."

Service

Auf Grund eines technischen Gebrechens konnte diese Sendung nicht in voller Länge ausgestrahlt werden, und steht daher in "7 Tage Ö1" ebenfalls nicht zur vollständig zur Verfügung. Wir bitten die Störung zu entschuldigen und machen die Audiodatei auf diesem Weg bis zum 16. Mai zugänglich.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Erik Satie 1866 - 1925
Titel: Trois Airs a faire fuir aus Pieces froides
* Nr.1 D'une maniere tres particuliere (00:02:34)
Frostige Stücke
Solist/Solistin: Gerhard Erber
Länge: 02:34 min
Label: Ars vivendi 2100210

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