ORF/MIRELA JASIC
Ö1 Hörspiel
Freud und Schnitzler bei Zigarre und Barolo
"Doppelgängerscheu" von Brita Kettner. Mit Udo Samel, Peter Simonischek und Brigitte Karner. Ton: Anna Kuncio und Manuel Radinger. Musik und Regie: Peter Kaizar (ORF 2022)
14. Mai 2022, 14:00
Sigmund Freud und Arthur Schnitzler: zwei prägende Zeitgenossen der Wiener Moderne. In ihren Biografien, in ihrem Denken und in ihren Werken finden sich zahlreiche Ähnlichkeiten, ihre persönliche Beziehung zueinander ist aber bis heute rätselhaft.
Sigmund Freud (1856-1939) ist nur wenige Jahre älter als Arthur Schnitzler (1862-1931), beide studieren Medizin an der Universität Wien und gehören als Ärzte der gleichen Gesellschaftsschicht an. Schnitzler, als junger Sekundararzt, selbst von der Hypnose eingenommen, lobt in der Internationalen Klinischen Zeitschrift inhaltlich wie sprachlich die Vorträge des Dozenten für Nervenkrankheiten Freud über die Möglichkeiten der Hypnose. Freud versäumt keine von Schnitzlers Theateraufführungen, liest keinen zeitgenössischen Autor lieber; Schnitzler vermerkt jede neue Freud-Lektüre in seinem Tagebuch. Beschäftigt sich zeitlebens intensiv, zugleich kritisch mit der Psychoanalyse ...
Das gegenseitige Interesse und die Wertschätzung lassen vermuten, dass ein persönlicher Austausch hätte stattfinden müssen. Allerdings sollen Schnitzler und Freud einander lange Zeit gemieden haben. Im Mai 1922, anlässlich Schnitzlers sechzigstem Geburtstag, schreibt Freud einen aufschlussreichen Brief, erklärt warum er, der die Begegnung mit dem Dichter wünscht, ihr bisher ausweicht: "Doppelgängerscheu".
Das Hörspiel "Doppelgängerscheu", das auf Zitaten aus den Briefen Freuds und Tagebuchnotizen Schnitzlers basiert, fügt zusammen, was gewissermaßen zusammengehört hätte. In fiktiven Begegnungen, bei Wein und Zigarre, loten der Schriftsteller und der Psychoanalytiker aus, was Kunst kann und Wissenschaft muss. Sie sind einander nahe - auch in ihrer Einschätzung und Reaktion auf den erstarkenden Antisemitismus. Immer an Schnitzlers Seite ist seine enge Vertraute Frieda Pollak - genannt "Kolap". Sie begleitet den Autor stets umsichtig, diskret und loyal durch die Krisen seines Schaffens.
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