Eine Wasserstoff-lagerungs-anlage.

AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAULT

Radiokolleg - Lexikon der chemischen Elemente

Wasserstoff, Uran, Ammonium (3). Gestaltung: Monika Halkort

Die Zahl der chemischen Substanzen, die zur Zeit weltweit im Einsatz sind, ist seit den 1970er Jahren um das 25 fache angestiegen. 50 Millionen Stoffe sind heute in der wissenschaftlichen Literatur verzeichnet. Zum Jahrtausendwechsel waren es erst 22 Millionen, Anfang der achtziger Jahre grade mal ein Viertel davon. Darunter befinden sich sowohl aus der Natur isolierte Elemente wie Ammonium, Uran, Sauerstoff, Wasserstoff, Phosphor oder Nitrat sowie synthetisch hergestellte Verbindungen, wie etwa Pestizide, Medikamente, Plastik oder Kunstdünger.

Technisch aufbereitete Elemente der Natur werden in fast allen Wirtschaftszweigen und Bereichen des täglichen Lebens verwendet. Sie haben Umwelt und Ökosysteme nicht nur auf unwiederbringliche Weise verändert und belastet, sondern darüber hinaus eine Vielzahl neuer bio-chemischer Baustoffe und Substanzen geschaffen, deren Umfang und Wirkung bis heute nur bedingt abschätzbar ist. Geologen, Chemie- und Umweltforscher warnen seit Jahren, dass synthetischer Chemikalien in ihrer Dimension selbst in Fachkreisen ein stark unterschätzter Aspekt des globalen Umweltwandels sind. Vergleichende Studien zeigen, dass die Vielfalt und die Verwendung industriell gefertigter Chemikalien weltweit schneller zunehmen als etwa CO2-Emmissionen, die Landversiegelung oder das Artensterben. Und trotzdem, die indirekten Wechselwirkungen dieser Stoffe mit anderen Umweltfaktoren und Stoffwechselprozessen sind nur unzureichend erforscht. Aus Kriegsgebieten etwa weiß man, dass metallhaltige Rückstände von Waffen im Grundwasser Antibiotika-resistente Bakterien produzieren. Ähnliches gilt für industrieverseuchte Gebiete. Das Zusammenspiel von Schwermetallen und Mikroorganismen in Wasser und auf festen Oberflächen verlängert die lebensbedrohlichen Umstände von Krieg und Umweltzerstörung in einen dauerhaften Alltagszustand, der vor allem für Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen ein akutes Lebensrisiko darstellt.
Diese Situations- und Ortsspezifischen Auswirkungen technischer Eingriffe in Stoffwechselkreisläufe werden in der Diskussion rund um den Klimawandel oft nur am Rande wahrgenommen.

Das Radiokolleg greift diese Lücke auf und zeichnet anhand beispielgebender Schlüsseltechnologien die nachhaltige Wirkung industriell aufbereiteter Gase, Moleküle und biochemischer Stoffe auf die evolutionäre/materielle Grundausstattung des Universums nach. Den Anfang machen Wasserstoff, Ammonium und Uran. Der lange Weg von der Produktion der ersten Wasserstoffbombe zu aktuellen Versuchen Wasserstoff als Alternative zu fossilen Brennstoffen zu nutzen, macht deutlich, wie sehr sich das zunehmende Wissen über die Elemente, technologische Utopien und kulturelle Sehnsüchte wechselseitig beflügelt aber auch in die Schranken gewiesen haben. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund ein nachhaltiger Umgang mit den Elementen sicherstellen und praktizieren?

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Literatur:
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Scherer, B. (2022). Der Angriff der Zeichen: Denkbilder und Handlungsmuster des Anthropozäns (1. Auflage). Berlin: Matthes & Seitz Berlin.

Links:
Christa Schleper https://medienportal.univie.ac.at/uniview/wissenschaft-gesellschaft/detailansicht/artikel/mein-element-stickstoff/
Verena Winiwarter https://boku.ac.at/en/personen/person/100AD48DC3E9C14

Chernobyl Safari. MAK Museum für Angewandte Kunst
Anna Jermolaewa

Sendereihe

Gestaltung

  • Monika Halkort

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