Eine Bratsche als 1. Geige

30. Mai 2022, 11:30

Nicht nur virtuose Violinkonzerte oder -soli: Das Oeuvre Paganinis umfasst ca. 250 wenig bekannte kammermusikalische Kompositionen für verschiedene Streicher-Besetzungen plus Gitarre. Das Paganini Ensemble Wien (Violine, Viola, Cello und Gitarre) ist spezialisiert genau auf dieses kammermusikalische Werk ihres Namensgebers. Auf ihrer vierten CD widmen sich Mario Hossen, Marta Potulska, Liliana Kehayova und Alexander Swete ein zweites Mal einer Auswahl von drei der insgesamt fünfzehn Quartette für Violine, Viola, Cello und Gitarre Paganinis.

Bevor er seine große Reise als umjubelter Virtuose durch Europa antritt, schreibt der sagenumwobene Teufelsgeiger in Italien diese 15 ungewöhnlichen Stücke. Natürlich komponiert Paganini auch hier in dem für ihn typischen Virtuosenstil: akrobatische Soli und theatralische Gesänge; meistens dominiert ein Instrument, während die anderen begleiten. Dass diese Soli häufig in den Fingern der ersten Geige liegen, verwundert nicht, immer wieder aber wechselt der Solopart auch zu den anderen Instrumenten.

Doch im 15. und letzten dieser Quartette - entstanden 1820 in Neapel - ist alles anders: hier dominiert die Bratsche fast durchgehend in allen Sätzen. Warum Paganini aus diesem letzten seiner Quartette für Gitarre und Streicher beinahe ein Bratschenkonzert macht, ist nicht bekannt. Aber er schafft damit ein wirklich ungewöhnliches Werk mit etlichen lyrischen Soli im kräftigen sonoren Klang der Bratsche. Kein Tanz in der Höhe - glitzernd und brillant, wie wir das von Paganini gewöhnt sind - sondern diesmal ein leidenschaftlicher Gesang im mittleren Register, und es wäre nicht Paganini, wenn er nicht auch diese Soli wie für den lyrischen Alt einer Operndiva theatralisch zu inszenieren wüsste.

Service

Aktuelle Aufnahme:
Paganini. Quartets for Strings and Guitar Nr. 7, 14 & 15 / Paganini Ensemble Wien / Dynamik 2022

Sendereihe

• Des Cis

Gestaltung

• Hans Georg Nicklaus