Ida Maria Ronchetti über Sprache

31. Mai 2022, 06:56

Gestern habe ich mit meinen Schüler:innen an der HTL im Englischunterricht darüber sinniert, warum es sich lohnt, Sprachen zu lernen und wie viel einfacher es wäre, wenn wir alle dieselbe Sprache als Muttersprache, als langue maternelle, als native language sprechen würden. Heute, im Religionsunterricht, nütze ich die Stunde, um mit ihnen ein bisschen weiter darüber nachzudenken.

Wir lesen die Geschichte vom Turmbau zu Babel, im Buch Genesis, dem ersten Buch der Bibel, welches gegen Ende der ersten Hälfte seiner Erzählungen die Abwärtsspirale des Menschen zum Thema macht. Die Stadt Babylon wurde gegründet und die Völker von Mesopotamien versammelten sich und feierten ihre neue technologische Errungenschaft: den Ziegelstein. Sie konnten damit Städte und Türme schneller und höher bauen als jemals zuvor und das stieg ihnen zu Kopf. Sie wollten höher, weiter und schneller hinaus und bauten einen Turm, der bis zu den Göttern reichen sollte, um sich damit einen Namen zu machen. Wie immer kam jedoch Hochmut vor dem Fall und am Ende der Geschichte verstreuten sich die Menschen über die ganze Erde und sie wurden sich fremd - auch in der Sprache.

"Also trennt uns Sprache doch!", stellt ein Schüler fest. "Natürlich", erwidere ich. "Ah, das war vor Babbel!", meldet sich ein anderer Schüler zu Wort. Alle schauen ihn an. "Na, Babbel", sagt der Schüler, "die Sprach-App." Und jetzt beginnen wir zu verstehen. Beim Sprachenlernen geht es eigentlich nie um die Sprache selbst, sondern um die Menschen, die mit ihr verbunden sind - mit dem Ziel, uns alle zu verbinden. Von Babel zu Babbel hat es zwar etwas gedauert, aber besser spät als nie.

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• Sprachen. Vielfalt. Verstehen