Bergrettung am Unglücksort

APA/ZOOM.TIROL

Medizin und Gesundheit

Tollkühne Ärzte in ihren fliegenden Kisten

Medizinische Hilfe in und aus der Luft

Wer Hilfe von oben in Anspruch nimmt, muss nicht unbedingt religiös sein. Rund 35.000-mal jährlich heben die Helikopter, ganz irdisch, zu Rettungs- und Bergungseinsätzen ab. Überall dort, wo es schnell gehen muss und ein bodengebundener Rettungsdienst keine rechtzeitige Versorgung bieten kann, etwa bei Verkehrs- und Badeunfällen, Herzinfarkten oder Schlaganfällen, erreicht das Hubschrauberteam aus Piloten, Notärztin und Flugretter mit rund 230 km/h und via Luftlinie den Einsatzort in Windeseile. Die Luftrettung in Österreich wird in erster Linie vom ÖAMTC, mit der Christophorus-Flotte, dem Roten Kreuz und privaten Unternehmen, wie der Martin Flugrettung, betrieben.

Not am Gipfel

Auch im alpinen Bereich wird es in der bevorstehenden sommerlichen Hochsaison rund um die Gipfel wieder heftig knattern. 8.000 Einsätze werden pro Jahr von der Bergrettung registriert, wobei in Tirol die meisten Alpintoten und -verletzten verzeichnet werden. Das meist unzugängliche Gelände erfordert oft eine Rettung aus der Luft. Ist eine Landung in unmittelbarer Nähe des Patienten nicht möglich, so wird eine Taubergung durchgeführt. Die Kosten für derartige Einsätze betragen mittlerweile rund 4.000 Euro, die in den meisten Fällen nur durch private Zusatzversicherungen oder Mitgliedschaften beim Alpenverein, bei einem der Automobilclubs bzw. über Kreditkarten gedeckt sind. Ein Blick auf den individuellen Versicherungsschutz ist also lohnend, bevor man mit Flip-Flops den Großglockner erklimmt. Zumindest sollte man, so die erfahrene Tiroler Notärztin Susanne Wally, gut sichtbare, bunte Wanderkleidung tragen, die den Verunglückten im Latschenfeld aus der Luft erkennen lässt.

Alpine Notrufe werden zudem nicht nur von verletzten Personen abgesetzt, sondern auch von unversehrten Bergwanderern, die sich verstiegen haben und in eine alpine Notlage geraten sind. Statt einem medizinischen Team kommt dann Hilfe vom Innenministerium, das die Unglücklichen mit dem Polizeihubschrauber "Libelle" auf Staatskosten aus ihrer misslichen Lage befreit.

Fliegende Ambulanz

Zurecht kann man schon etwas beruhigter sein, wenn der Helikopter gelandet ist: Bereits im Rettungshubschrauber lassen sich, ähnlich wie in einem Schockraum im Spital, lebenserhaltende Maßnahmen durchführen. Intensivmedizin-Hubschrauber haben zudem, je nach Anforderung, spezielle High-Tech-Geräte an Bord. Und bei den Rückholtransporten aus dem Ausland dienen Ambulanzjets als fliegende Intensivstationen.
Allein in Europa gibt es pro Jahr über 200.000 derartige Repatriierungsflüge, also Rückführungen mit Hubschraubern und Flugzeugen ins Heimatland - inklusive der Betreuung durch qualifiziertes medizinisches Personal bereits über den Wolken.
Trotz des raschen Eintreffens eines Notarzthubschraubers ist es nötig, die Zeit bis dahin zu überbrücken, wie der Kardiologe Joachim Huber betont. Erst das beherzte Eingreifen von Ersthelfern komplettiere eine gelungene Rettungskette, die dem Patienten bei einem Ertrinkungsunfall oder einem Herz-Kreislauf-Stillstand durch Erste Hilfe Maßnahmen am Leben erhalten.

Ist ein Arzt an Bord?

Eine besondere Herausforderung stellen medizinische Notfälle in Verkehrsmaschinen dar. Damit die Durchsage "Ist ein Arzt an Bord?" den mitreisenden Medizinern nicht die Schweißperlen auf die Stirn treibt, bietet die von Joachim Huber mit ins Leben gerufene Plattform "Doc on Board" seit nunmehr über 15 Jahren eine spezielle Ausbildung für Ärztinnen und Ärzte an, wo die Besonderheiten einer ärztlichen Versorgung in luftigen Höhen trainiert werden können.
Wenngleich sich die Retter, mitunter bei schlechtem Flugwetter und am herabbaumelnden Seil eines Helikopters hängend, auch selbst in Gefahr bringen, ist jeder Handgriff hundertmal geübt und das Risiko damit kalkulierbar.
Dennoch sind sie dankbar, wenn sich Menschen nicht selbst unnötig in Gefahr bringen.
Dr. Ronny Tekal spricht mit seinen Gästen in der aktuellen Ausgabe des Radiodoktors über die Besonderheiten medizinischer Versorgung aus und in der Luft.

Moderation: Dr. Ronny Tekal
Sendungsvorbereitung: Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich und Lydia Sprinzl, MA

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Haben Sie selbst schon einmal eine Bergrettung per Helikopter in Anspruch genommen?

Sind Sie bereits einmal im Ausland erkrankt und wurden nach Österreich zurücktransportiert?

Arbeiten Sie in diesem Bereich und können über Ihre Erfahrungen berichten?

Waren Sie selbst schon einmal der "Arzt an Bord", nach dem gerufen wurde?

Service

Studiogast:

Dr. Joachim Huber
Facharzt für Innere Medizin, Kardiologe
Flug- und Reisemediziner
Leiter von "Doc-on-Board"
Facharztzentrum ZIM-9
Nussdorferstraße 60
A-1090 Wien
Tel.: +43/1/315 72 31
E-Mail
Homepage

Am Telefon:

Dr.in Susanne Wally
Leitende Notärztin Flugrettung Martin 7, Zillertal, Tirol
Oberärztin an der Univ. Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin
Universitätsklinik Innsbruck, Tirol Kliniken
Anichstraße 35
A-6020 Innsbruck
Tel.: +43 / 512 504 28503
E-Mail
Homepage

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Heli-Rescue - Alle Organisationen der Flugrettung Österreich
ÖAMTC-Flugrettung
Heli Austria, Heli Tirol und Martin Flugrettung
Übersicht über das Flugrettungssystem in Österreich (Sozialversicherung)
Helios Magazin: Notfallmedizinische Rettung aus der Luft
Alpinmesse Forum: Die 6 Goldenen Regeln der Hubschraubereinweisung
Treffpunkt Medizin: Doku "Zwischen Himmel und Erde - Flugretter bei der Arbeit"
Plattform "Doc on Board"
"Med on Board": Notfallmedizin über den Wolken
Österreichische Akademie für Flugmedizin

Buch-Tipps:

Robert Sperl, "Die alpine Flugrettung: Leben retten am Berg - damals und heute", Bergwelten 2022

Tino Lorenz, "Am Leben - Notarzt im Rettungshubschrauber", Heller Verlag 2016

Thomas Käsbohrer, "Der Einsatz meines Lebens. Bergretter erzählen", Millemari 2021

Sendereihe

Gestaltung