Mann arbeitet an einem Tisch mit Laptop und Monitor, Home Office

APA/AFP/INA FASSBENDER

Medizin und Gesundheit

Aktuelle Herausforderungen der arbeitsmedizinischen Versorgung

Home-Office und mehr psychische Erkrankungen

Es ist für einige Arbeitnehmer:innen Alltag geworden, nicht mehr jeden Tag den Weg ins Büro anzutreten. Der Computer zu Hause wurde zum Zweitarbeitsplatz. Das stellt die Arbeitsmedizin vor neue Herausforderungen: Wie können Mitarbeitende mit Vorsorgeuntersuchungen erreicht werden, wenn sie nicht in der Firma sind? Wie können ergonomische Arbeitsplätze in der eigenen Wohnung geschaffen werden? Wer achtet auf die Bildschirmzeit und die Ausgleichsübungen? Dr.in Eva Höltl betont, dass die Gesundheitskompetenz der Mitarbeitenden verbessert werden muss. Die Fachärztin für Arbeitsmedizin leitet des Gesundheitszentrum der Erste Bank. "Jeder muss sein eigener Arbeitsmediziner sein", bringt es Prof. Dr. Rudolf Karazman auf den Punkt. Der Psychotherapeut und Facharzt für Psychiatrie und Neurologie hebt eine weitere Herausforderung hervor: den sozialen Zusammenhalt zu organisieren. Denn ein Hauptproblem von Home-Office sei die Vereinsamung. Denn soziale Kontakte haben eine regulierende und gemeinschaftsfördernde Wirkung. Fallen sie weg, kann das negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben.

Psychische Belastung am Arbeitsplatz

Diese ist ohnehin bei einigen Arbeitnehmer:innen durch die Pandemie angeschlagen. Vor allem bei jungen Menschen kommt es vermehrt zu Angststörungen. Während sich die Arbeitsmedizin vor einigen Jahren großteils um eher klassische Berufserkrankungen gekümmert hat, stehen nun psychische und psychiatrische Erkrankungen im Vordergrund. Wichtig ist es hier, die betriebliche Gesundheitsversorgung als ganzheitliche Leistung zu sehen, also auch Arbeitspsychologen ins Team einzubinden. Den Vorteil sieht Eva Höltl auch in der Möglichkeit - im Vergleich zum niedergelassenen Bereich - Kollektive anzusprechen. Ist also bekannt, dass gewisse Gruppen besonders betroffen sind, beispielsweise Lehrlinge, können diese direkt adressiert werden. Indem unter anderem Beratungsangebote zur Verfügung gestellt und soziale Kontakte ermöglicht werden.

Sanfter Einstieg nach Langzeitkrankenstand möglich

Ist es allerdings schon zu einem Langzeitkrankenstand gekommen, beispielsweise durch psychische oder onkologische Erkrankungen, kann durch die Wiedereingliederungsteilzeit eine sanfte Rückkehr gelingen. So kann die Arbeitszeit auf 18 Stunden reduziert werden ohne drastische finanzielle Einbußen. Dieser Maßnahme muss sowohl von Arbeitnehmer-, als auch von Arbeitgeberseite zugestimmt werden. Es besteht also kein Rechtsanspruch darauf. Schon seit 2017 gibt es diese Möglichkeit bei uns, doch leider ist sie noch immer viel zu wenig bekannt. Daten aus Ländern, die dieses Instrument schon vor längerer Zeit eingeführt haben, z.B. Deutschland, zeigen, dass es so leichter möglich ist, ohne Überforderung wieder Fuß im Beruf zu fassen.

Arbeit als Quelle für Gesundheit

Arbeit muss nicht krank machen. Ist die Tätigkeit gut bewältigbar, herausfordernd und klappt die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen, kann Arbeit eine Quelle für Gesundheit sein, erklärt Rudolf Karazman. Eva Höltl stimmt zu. Denn laut Studien hätten Langzeitarbeitslose die schlechtesten Gesundheitswerte. Auch sportlicher Ausgleich kann einen großen Teil dazu beitragen, dass die Gesundheit im Betrieb gefördert wird. Dr.in Silvia Glaser, Leiterin des betrieblichen Gesundheitsmanagements bei Takeda, hebt drei Punkte hervor, die entscheidend sind: Führungskräfte ermöglichen es, dass ihre Mitarbeitenden sportliche Angebote wahrnehmen können. Das Unternehmen schafft das passende Umfeld dafür und die Arbeitnehmer:innen entwickeln ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der körperlichen Gesundheit und arbeiten aktiv daran. Seit 20 Jahren verfolgt Silvia Glaser einen ganzheitlichen Ansatz, wenn es um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden geht und wurde dafür mit dem Firmen Fitness Award 2022 ausgezeichnet. So gibt es neben Fitnessangeboten, Fahrrad-Clubs, Physiotherapie, Sportmassagen und Laufevents auch diätologische und ernährungswissenschaftliche Beratungen. Lockdown und Home-Office stellten auch hier die Arbeitsmedizin vor neue Herausforderungen: Wie kann für einen körperlicher Ausgleich aus der Ferne gesorgt werden? Yoga- und Pilateskurse sowie die Pausengymnastik fanden daraufhin online statt. Und dieses Angebot wurde beibehalten.

Wie es gelingt, dass Arbeit einen wertvollen Beitrag für die persönliche Entwicklung und die Gesundheit leisten kann und welche Rolle dabei die Arbeitsmedizin spielt, darüber diskutiert Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos mit ihren Gästen.

Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
Sendungsvorbereitung: Lydia Sprinzl, MA
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

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Service

Zu Gast im Funkhaus Wien:

Dr.in Eva Höltl
Fachärztin für Arbeitsmedizin, Leiterin Gesundheitszentrum Erste Bank, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Public Health an der Meduni Wien
Erste Bank Campus
Am Belvedere 1
1100 Wien
E-Mail
Homepage

Im Landesstudio Burgenland:

Prof. Dr. Rudolf Karazman
Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Arbeitsmedizin, Psychotherapeut, Gründer des Beratungsunternehmens "Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH"
Mariahilfer Str. 50/14
1070 Wien
E-Mail
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Telefongast:

Dr.in Silvia Glaser
MSc Arbeits- & Organisationsmedizin, Leiterin betriebliches Gesundheitsmanagement Takeda Manufacturing Austria AG
Industriestraße 67
1221 Wien
E-Mail
Homepage

Info-Links:

Österreichische Gesellschaft für Arbeitsmedizin
ÖGK: Wiedereingliederungsteilzeit
Fonds Soziales Österreich Praxisbuch: Betriebliche Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt 4.0 - Digitalisierung, Gesundheitskompetenz und faire Gesundheitschancen
Uni Giessen: Fit im Homeoffice - Tipps und Übungen
AUVA-Folder: Bildschirmarbeitsplätze
Gesundheitsportal der Gewerkschaften und des ÖGB
Broschüre AK: Psychische Gesundheit im Homeoffice
Bundesministerium für Arbeit: Startschuss für das Beratergremium "Rat neue Arbeitswelten"
Die Presse: Pionier in Sachen Mitarbeitergesundheit
Österreichische Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention

Buch-Tipp:

Rudolf Karazman, "Human Quality Management: Menschengerechte Unternehmensführung", Springer Gabler 2015

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