Halbe Birne, halber Apfel

APA/DPA/FRISO GENTSCH

Medizin und Gesundheit

Adipositas - Lifestyle-Problem oder ernstzunehmende Krankheit?

Mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung ist übergewichtig. So sieht es zumindest der europäische Adipositas-Report der WHO. Jede fünfte Person ist hierzulande bereits adipös, bzw. fettleibig.
Was jedoch einst noch als Zeichen von Gemütlichkeit und Wohlstand verstanden wurde, bereitet den Gesundheitsexperten zusehends Sorgenfalten. Schließlich gilt die Adipositas als Wegbereiter für Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs oder Diabetes, verursacht Probleme im Bewegungsapparat, führt häufiger zu Depressionen und Angststörungen und gilt nicht zuletzt als Risikofaktor für einen schweren Verlauf von COVID-19.

Unzureichende Versorgung

"Obwohl evident ist, dass starkes Übergewicht auf Dauer massive gesundheitliche Probleme nach sich zieht, ist die Versorgung für Menschen mit Adipositas in Österreich aktuell absolut unzureichend", so die Diabetologin Johanna Brix. Vielmehr werde der Zustand als individuelles "Life-Style-Problem" gesehen, sodass entsprechende Therapien oftmals auch aus der eigenen Tasche bezahlt werden müssen. Und nach wie vor gilt die Fettleibigkeit, selbst bei medizinischem Personal, als selbstverschuldet.

Weltweite Bedrohung

Dabei hat die WHO die Adipositas seit 2000 als Erkrankung anerkannt und zum mittlerweile größten globalen chronischen Gesundheitsproblem erklärt - ungeachtet der nach wie vor 800 Millionen Menschen, die an Unterernährung leiden. Die Zahl übergewichtiger und fettleibiger Personen wächst, laut UNICEF, in allen Regionen der Erde an, alle zehn Jahre legt die Weltbevölkerung um 1,5 Kilogramm an Gewicht zu.

Endlich Maßnahmen umsetzen

Nachdem weder für Prävention noch für die Behandlung der Adipositas ein "Masterplan" existiert, haben sich nun drei medizinische Fachgesellschaften (Österreichische Adipositas Gesellschaft, ÖAG, die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, ÖGKJ, und die Österreichischen Gesellschaft für Adipositas- und Metabolische Chirurgie (ÖGAMC) gemeinsam mit Betroffenenvertretern zur Österreichischen Adipositas-Allianz zusammengeschlossen. Damit sollen Strategien im Umgang mit der Erkrankung nicht nur entworfen, sondern die daraus resultierenden Forderungen an die Politik auch formuliert und schlagkräftig vertreten werden. Apotheker- und Ärztekammer, sowie das Institut für Höhere Studien sind mit an Bord.

Zwischen Eigenverantwortung und Stigmatisierung

Daneben sei auch die Aufklärung der Bevölkerung ein wichtiges Anliegen, wie die Gesundheitspsychologin Barbara Andersen meint. Als Delegierte der Europäische Adipositas-Gesellschaft EASO vertritt sie Menschen mit Adipositas in Österreich und kämpft für ein gesellschaftliches Verständnis. Denn die Stigmatisierung, der sich adipöse Personen ausgesetzt sehen, beginne bereits im Familien- und Freundeskreis. Dabei fällt es keineswegs jedem Menschen gleich leicht, dem, übrigens im Laufe der Jahre ständig wechselnden Idealgewicht gerecht zu werden. Schließlich steckt bei vielen Menschen das Übergewicht quasi auch in den Genen. Bei aller Eigenverantwortung soll, angesichts der steigenden Zahl adipöser Kinder und Jugendlicher, laut den Experten, zudem auch die Lebensmittelindustrie in die Pflicht genommen, die bekanntlich ihren Teil dazu beiträgt, ihrer Kundschaft nicht unbedingt die gesündesten Lebensmittel anzupreisen.

Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger spricht in der aktuellen Ausgabe des Radiodoktors über die "Pandemie der Adipositas", neue Behandlungsstrategien und die Notwendigkeit, den Betroffenen endlich Vorschläge statt Vorwürfe zu machen.

Moderation: Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger
Sendungsvorbereitung: Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich und Lydia Sprinzl, MA

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Wie viele Diäten haben Sie bereits hinter sich?

Leiden Sie bereits an Diabetes oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung?

Sind die Angebote für adipöse Personen Ihrer Meinung nach ausreichend?

Haben Sie bereits eine bariatrische Operation an sich durchführen lassen?

Wie erfolgreich waren die therapeutischen Versuche zur Gewichtsreduktion?

Service

Studiogast:

Mag.a Barbara Andersen
Klinische- und Gesundheitspsychologin
Delegierte Europäische Adipositas-Gesellschaft EASO,
Vertretung von Menschen mit Adipositas in Österreich
Kaiserstraße 43/4a
A-1070 Wien
Tel.: +43 1 4000 87723
E-Mail
Homepage

Am Telefon:

Priv.-Doz.in Dr.in Johanna Brix
Fachärztin für Innere Medizin
Präsidentin der Österreichischen Adipositas Gesellschaft
Stationsleiterin der Adipositas Ambulanz der Klinik Landstraße
1. Medizinische Abteilung mit Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie
Klinik Landstraße
Juchgasse 25
A-1030 Wien
Tel.: +43 1 71165 2107
E-Mail
Homepage Krankenhaus
Homepage Ordination

Elisabeth Jäger
Präsidentin der Adipositas-Selbsthilfegruppen
Tel.: 0664 824 0992
E-Mail
Homepage

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Österreichische Adipositas Allianz
Pressekonferenz der Österreichischen Adipositas-Allianz (publichealth, 2022)
Adipositas Selbsthilfegruppen
Österreichische Gesellschaft für Adipositas- und Metabolische Chirurgie
Verband der Diätologen Österreichs
Forderungskatalog der Österreichischen Adipositas Gesellschaft für Menschen mit Adipositas (ÖAG 2021)
Interview mit Johanna Brix zur Adipositas (Universimed, 2022)
Doppele Last - Zur Stigmatisierung übergewichtiger Menschen (Dt. BM.f. Bildung und Forschung)
Adipositas bei Kindern: Stabil auf hohem Niveau (Ärztezeitung, 2022)

Buch-Tipps:

Alexander Klaus, Brigitte Erlacher, Ingrid Heiller, "Die Abnehm-Docs: Nachhaltig und gesund abnehmen mit den Profis", Kneipp Verlag 2019

Rüdiger Horstmann, "Raus aus der Adipositas - Der Beginn Deines neuen Lebens: Warum Diäten dick machen & wie du dein Gewicht reduzierst", Independently published 2021

Jennifer Frühwirth, Christa Schöllbauer, Helena Schramm, "Ernährung bei Adipositas zur Gewichtsreduktion", Facultas/Maudrich 2017

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