
Brigitte Schwaiger - APA/MARK
55 Jahre Ö1 - 55 Jahre Literatur aus Österreich
Brigitte Schwaiger über das Korsett des Frau-Seins
"Wie kommt das Salz ins Meer". Von Brigitte Schwaiger. Mit Valery Tscheplanowa, Corinna Kirchhoff, Michael König, Gertrud Roll, Peter Miklusz, Lucas Gregorowicz, Daniel Straeßer, Sabine Haupt, Peter Knaack und Markus Meyer. Ton: Martin Leitner. Bearbeitung und Regie: Elisabeth Weilenmann (ORF 2012)
17. Juli 2022, 16:00
Mit ihrem Debütroman "Wie kommt das Salz ins Meer" landete 1977 die damals 28-jährige Oberösterreicherin Brigitte Schwaiger einen Sensationsbestseller, der sich allein im deutschsprachigen Raum hunderttausendfach verkaufte. Das Buch hatte offensichtlich den Nerv seiner Zeit getroffen. Es erzählt die Geschichte einer jungen Frau, irgendwo in der österreichischen Provinz, die von Kindesbeinen an vor allem eines lernt: Sich selbst zu verleugnen, um den Normen und Erwartungen einer bigotten bürgerlichen Gesellschaft zu entsprechen. Eine frühe Heirat führt keineswegs zur Befreiung, sondern steigert das Gefühl der Fremdbestimmung nur. Es folgen eine Affäre, eine Abtreibung, Depressionen und schließlich die Scheidung.
Das Schicksal von Brigitte Schwaiger und ihrem Roman "Wie kommt das Salz ins Meer" ist - so schreibt die Literaturwissenschafterin Evelyne Polt-Heinzl - auch ein Stück österreichischer Literaturgeschichte, denn "Der Roman erschien, als es mit der politischen Öffnung der Kreisky-Ära plötzlich möglich wurde, von Alltagswelten und Alltagserfahrungen mit emanzipatorischem Anspruch zu erzählen". Freilich haben, so Polt-Heinzel, schon die Zeitgenossen oft nicht verstanden, dass Literatur eben nicht Autobiografie ist, was letztlich auch zur Vernichtung von Autorenexistenzen wie Franz Innerhofer oder Gernot Wolfgruber geführt hätte. Bei Autorinnen aber erfolgte die Überblendung mit ihren Figuren immer noch um einiges radikaler. Schwaigers Roman wurde ausschließlich als zeittypische Variante weiblicher Selbstfindungsliteratur gelesen, so Polt-Heinzl. Die Neulektüre dieses Buches sei ein Gebot der Stunde.