Meisterinwerk oder pompöses Spektakel?

21. Juli 2022, 11:30

Ein "wiederentdecktes Meisterwerk" kündigte das BBC Symphony Orchestra und dessen Chefdirigent Sakari Oramo für November an. Nun ist die einzige Symphonie der kroatischen Komponistin Dora Pejacevic auf CD erschienen. Peter Donohoe hat sich ihres Klavierkonzerts angenommen.

Entstanden ist die Symphonie während des 1. Weltkrieges. Als Oramo die erste Seite der Partitur aufschlug, hatte er nicht nur von der Symphonie keine Kenntnis gehabt, er hatte nicht einmal den Namen der 1885 in Budapest in eine ungarisch-kroatische Aristokratenfamilie geborenen Komponistin gehört. Dabei ist bereits seit 2011 eine CD mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung seines finnisches Landsmanns Ari Rasilainen erhältlich. Für das Klavierkonzert gibt es schon zwei Vergleichsaufnahmen. Auch wer Ö1 hört, könnte Werken der Komponistin in den letzten 30 Jahren begegnet sein. Eine recht oberflächliche Online-Suche hat allein für die letzten 15 Jahre mehr als 30 Hits ergeben - meist Kammermusik, auch die Symphonie fand sich darunter.

Ob die Chandos-Aufnahmetechnik, das BBC Symphony Orchestra und Oramo mit seinen oft gerühmten Stärken - rhythmische Präzision, die aus dem natürlichen Schwung, nicht aus statischem Zählen heraus entsteht, und fein abgestimmte Balance des Gesamtklangs - den Kritiker der Financial Times umstimmen könnten? Im November 2021 hatte er die britische Erstaufführung erlebt und statt eines Meisterwerks ein "ohrenbetäubend lautes romantisches Spektakel" gehört, "als wären Dvorak und Strauss einander im Kriegsgebiet begegnet und hätten versucht, einander in verschwenderischer musikalischer Gestik zu übertreffen." Mich jedenfalls beeindrucken die melodische Einfallskraft und die Instrumentationskunst (etwa im Scherzo-Satz der Symphonie) der Komponistin.

Service

Aktuelle Aufnahme:
Dora Pejacevic: Piano Concerto & Symphony
Peter Donohoe (Klavier), BBC Symphony Orchestra, Sakari Oramo (Dirigent)
Chandos CHSA 5299

Sendereihe

• Des Cis

Gestaltung

• Peter Kislinger