Ein Besucher sieht sich lauter NFTs an.

AFP/DEVI RAHMAN

Radiokolleg - CD, Vinyl, Streaming, NFT

Ein Panoptikum der Tonträger des 21. Jahrhunderts (2)
Gestaltung: Marie-Theres Himmler, Hannah Horsten, Stefan Niederwieser, Walter Gröbchen

CD und MusiCassette feiern gerade ein - weithin unerwartetes - Revival (wenn auch eher in einer Nische), die Lust auf haptische Tonträger verdeutlicht auch der anhaltende Vinyl-Boom. Zugleich hat aber die Corona-Pandemie Streaming sowohl im Film-/TV-Markt wie auch in der Musikindustrie neue Rekordzahlen beschert. Nun tauchen parallel zu den Phänomenen der Blockchain und Kryptowährungen auch neue Ideen auf, wie künstlerische Produkte und Urheberrechte zu monetarisieren wären - an vorderster Front NFTs (Non Fungible Tokens), um die ein regelrechter Hype ausgebrochen ist.

Die digitale Hemisphäre hat ein Problem. Ein sehr menschliches Problem: sie ist für analoge Wesen aus Fleisch und Blut nur bedingt zu begreifen. Und zwar durchaus auch im wortwörtlichen, haptischen Sinn - eine Abfolge von Nullen und Einsen als unsichtbarer Datenstrom bleibt für den Großteil der humanoiden Spezies ein ewiges Mysterium. Unbegreiflich. Und unbegreifbar.

Das erklärt auch, warum wir z.B. an physischen Tonträgern festhalten - sie sind mit "realem" Besitz verbunden, mit der Aura des Angreifbaren, mit vertrauten Formaten und sentimentalen Erinnerungen. Ein Spotify-Stream lässt zwar auch Musik erschallen, meist rascher, bequemer und in besserer Qualität als eine zerkratzte, alte Schallplatte. Aber vielen erscheint ein Beatles-Song, so gehört, seltsam steril und geschmacksärmer. Möglicherweise aber nur Gewöhnungssache. Und mithin eine Generationenfrage.

Damit kommen wir zum zweiten Problem der digitalen Hemisphäre: sie kennt keinen Unterschied zwischen Original und Kopie. Ja, sie kennt diese Begriffe nicht einmal mehr. Jede idente Datenkonstellation beinhaltet exakt dieselbe Information, jeder gleiche Wert ist -mathematisch ident. Die Aura eines Kunstwerks ist aber für viele Konsumenten weitgehend mit dem Original verbunden, setzt also auf Ursprünglichkeit und Autorenschaft inmitten einer Welt der millionenfachen technischen Reproduzierbarbeit.

Wie könnte man in diesem Kontext klare, eindeutige Ursprungs-Anzeigen und geordnete Besitzverhältnisse ("Copyrights") ermöglichen? Löst man diese Frage, erblüht jeglichem digitalen Artefakt, dem man einen sentimentalen Wert zugesteht, ein Zukunftsmarkt. Hier kommen NFTs (Non Fungible Tokens) ins Spiel. Das kann eine goldene Eintrittskarte zu Rockkonzerten sein oder das Zertifikat für eine millionenteure Fotocollage im Netz.

Wer sich z.B. das aktuelle Album der Kings of Leon ("When You See Yourself") mit einem speziellen Token kauft, kann damit sein Leben lang bei jedem Konzert der Band in der ersten Reihe Platz nehmen. Einzelne Künstler:innen und Labels bieten sogar Direkt-Investments in Songs und Alben, um - ähnlich einer Aktie - Teilhabe an den Einnahmen zu ermöglichen. Für Akteure wie den HipHop-Veteranen Snoop Dog sind NFTs längst die Eintrittskarten in die künstliche Entertainment-Welt des Metaversums. Doch zugleich werden erste kritische Stimmen laut.

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