Ausstellung von Gemälden des Künstlers Edward Hopper

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Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Edward Hopper

"Bilder der Stille". Anlässlich dessen 140. Geburtstages fragt die Direktorin des Dom Museum Wien nach den Emotionen, die heute durch Hoppers Gemälde ausgelöst werden

Was für ein geheimnisvolles Bild! Es ist mitten in der Nacht. Als Betrachtende schaue ich von außen - so als würde ich in dem Gemälde selbst auf der Straße stehen - durch eine riesige Glasfassade in den grell beleuchteten Barraum eines typisch amerikanischen Diners.

Hinter der Bar agiert ein weißgekleideter Barkeeper, am Tresen hocken drei mysteriöse Gestalten: eine rothaarige Frau mit knallrotem Kleid und zwei Männer mit Anzug und Hüten. Die Darstellung wirkt wie ein Filmset - erinnert an Szenen aus dem Kinoklassiker "Casablanca". Charakteristisch ist das Augenblickhafte. Deshalb möchte ich nicht nur wissen, was jetzt hier vor sich geht, sondern auch was davor und was danach geschah.

"Nighthawks", also Nachtschwärmer oder Nachtfalken, so der Titel dieses 1942 entstandenen Bildes von Edward Hopper, gemalt zur Zeit, als die USA in den Zweiten Weltkrieg eingetreten sind, gilt es als Inbegriff der Einsamkeit des modernen Großstadtmenschen - in einer Phase voller Ungewissheiten und Bedrohungen. Wie kaum ein zweites Gemälde wurde "Nighthawks" von Werbung und Popkultur ausgeschlachtet. Sein Einfluss erstreckt sich aber weit darüber hinaus - schließlich inspirierte das Bild zahlreiche Film-, Musik-, Kunst- und Literaturschaffende zu eigenen Werken. So dichtete der deutsche Schriftseller Wolf Wondratschek: "Es ist Nacht / Und die Stadt ist leer. / Die Glücklichen sind zu Hause / oder noch wahrscheinlicher, / es gibt keine mehr."

Als Kunstwissenschaftlerin fasziniert mich, dass sich ein Bild so nachhaltig in das kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft einschreiben kann, dass es für das Gefühl einer ganzen Epoche steht, sich aber auch heute noch zur Identifikation anbietet. Gerade die Corona-Pandemie erzeugte durch das notwendige Social Distancing Szenen, die einen scheinbar mitten in ein Hopper-Gemälde versetzten.

Persönlich interessiert mich an "Nighthawks", dass mich das Gemälde aktiv in den kreativen Prozess miteinbezieht und durch seine Rätselhaftigkeit zum Nachdenken bringt. Ein Moment, das Hopper selbst als Hauptantrieb für seine Malerei beschrieb. So meinte er: "Wäre es in Worte zu fassen, gäbe es keinen Grund zu malen."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Herman Hupfeld 1894 - 1951
Album: CALIFORNIAN CONCERT: MUSIC OF EUROPEAN IMMIGRANTS AND THEIR AMERICAN CONTEMPORARIES - Susanne Kessel
Titel: As time goes by/instr. / aus dem Film "Casablanca" - für Klavier
Solist/Solistin: Susanne Kessel
Länge: 02:50 min
Label: Oehms Classics OC 534

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