Ausstellung von Gemälden des Künstlers Edward Hopper

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Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Edward Hopper

"Bilder der Stille". Anlässlich dessen 140. Geburtstages fragt die Direktorin des Dom Museum Wien nach den Emotionen, die heute durch Hoppers Gemälde ausgelöst werden

Wie die meisten Bilder Edward Hoppers hat auch dieses Kultstatus. Zu sehen ist eine Frau im Profil mit einem roten Kleid und zurückgebundenen, blonden Haaren. Etwas angespannt steht sie aufgestützt in einem Erkerzimmer ihres schicken, weißen Hauses und schaut hinaus ins Freie.

Ich kann nicht genau erklären, warum, aber irgendwie wirkt sie in ihren vier Wänden gleichermaßen geschützt wie eingesperrt. Wohin sie schaut und was sie beobachtet, weiß ich nicht. Denn ihr Blick ist auf einen Punkt außerhalb des Bildes gerichtet. Edward Hoppers Ölbild "Cape Cod Morning" aus dem Jahr 1950 ist ein Klassiker der amerikanischen Kunstgeschichte. Es enthält alle Merkmale, die mit diesem Maler verbunden werden: etwa die charakteristisch amerikanische Architektur mit der typischen Holzbauweise, die Puppenhaftigkeit der isoliert erscheinenden Figuren oder auch das subtile Spiel mit Licht und Schatten.

Das Gemälde gehört zu einer Bilderserie, in der Edward Hopper Cape Cod, wo er seit 1930 stets die Sommer verbrachte, zu unterschiedlichen Tageszeiten malte. Mich interessiert dieses Bild. Nicht nur, weil es seit der Corona-Pandemie häufig dafür herhalten musste, wenn es darum ging, das Lebensgefühl während der Lockdowns mittels Bildern auszudrücken. Vielmehr wirft es grundsätzliche Fragen danach auf, wo das eigentliche Leben wirklich stattfindet und was es mit der Sehnsucht nach einem Ort, der außerhalb meines Blickfelds liegt, auf sich hat.

Ein Thema, über das ich mit meinen jugendlichen Kindern gerade während der letzten beiden Jahre oft geplaudert habe. Denn wie alle jungen Menschen haben sie, die gerade die Welt erkunden wollten, unter der Einschränkung ihrer Bewegungs-, Reise- und Feiermöglichkeiten besonders gelitten. Ich habe - nicht sehr erfolgreich - versucht, ihnen zu vermitteln, dass die Konzentration auf die Innenwelt mitunter spannender sein kann, als das, was draußen stattfindet. Etwas, wovon Edward Hopper, der Zeit seines Lebens sehr zurückgezogen lebte, auf jeden Fall überzeugt war. So meinte er: "Große Kunst ist der äußere Ausdruck eines Innenlebens des Künstlers, und dieses Innenleben wird zu seiner persönlichen Vision der Welt führen."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Mitski Miyawaki
Titel: Your Best American Girl
Ausführende: Mitski
Länge: 02:00 min
Label: Dead Oceans

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