Auf dem Tangentenflügel

5. August 2022, 11:30

Ernst Wilhelm Wolf (1735-1792) gilt als der bedeutendste Weimarer Komponist der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das änderte aber nichts daran, dass er bald nach seinem Tode in Vergessenheit geriet. Wahrscheinlich hat dazu auch eine abschätzige Äußerung Johann Wolfgang von Goethes beigetragen, der 1777 den Komponisten als einen Mann beschrieb, der die "garstige Selbstgefälligkeit ohne Drang und Fülle und Dumpfheit" verkörpere.

Zusammen schreiten nun das Label cpo/Deutschlandfunk und Cembalistin Flóra Fábri an die Rehabilitierung Wolfs. Das Spannende dabei: Fábri interpretiert die einst hochgelobten Sonaten und eine Fantasie Wolfs nicht nur pianistisch ausdrucksstark und mit gekonnter Virtuosität - sie tut dies zudem auf dem sogenannten "Tangentenflügel" im Schloss Köthen.

Bei dieser mehr als 250 Jahre alten Erfindung handelt es sich um eine geniale Zwischenform von Clavichord, Cembalo und Hammerklavier. Der 5-oktavige Hybrid hat zudem die Besonderheit, dass durch Tastendruck nicht etwa Hämmerchen, sondern Holzstäbchen - "die Tangenten" - gegen die Saiten geschleudert werden. Der so produzierte Ton berührt dadurch ähnlich wie der intime Klang einer Harfe oder Gitarre und erhält bei geübtem Anschlag auch perkussiven Charakter. Eingebaute Klangeffekte, die wie bei Orgelregistern über Kniehebel und Handzüge gesteuert werden, verändern das Ausdrucksspektrum noch zusätzlich.

Auf ihrer mittlerweile zweiten Solo-CD beim Label cpo beweist Flóra Fábri einen einfühlsamen und höchst geschmackvollen Einsatz an epochengerechten interpretatorischen Stilmitteln. Eine spannende Zeitreise und vor allem: Ein Klangerlebnis!

Sendereihe

• Des Cis

Gestaltung

• Andreas Maurer