Zwischenruf

Ingrid Bachler über Pfarrerinnen

Ingrid Bachler ist Oberkirchenrätin der evangelischen Kirche in Österreich

Heißt es Frauenfußball oder Fußball der Frauen? Diese Frage war bei der Europameisterschaft in England im Juli immer wieder ein Thema. Ich meine, es gibt keinen Frauenfußball und keinen Männerfußball, sondern nur ein Fußballspiel, das von Frauen oder Männern gespielt wird. Die Frauen haben bei dieser Europameisterschaft mit ihrem begeisterten Einsatz und Können viele beeindruckt.

Als Oberkirchenrätin in der evangelischen Kirche bin ich für das geistliche Personal zuständig. Also für die Pfarrerinnen und Pfarrer. Und ich werde oft mit überraschenden Fragen konfrontiert. Eine lautet: "Können Sie mir mitteilen, wo es kirchenrechtlich schwarz auf weiß steht, dass in der evangelischen Kirche Frauen Pfarrerin werden dürfen?

Meine Kirche hat in Österreich 1965 die Ordination der Frauen beschlossen und 1981 ihre völlige rechtliche Gleichstellung im geistlichen Amt. Seither ist viel geschehen. Die Pfarrerinnen wirken im geistlichen Amt in den Pfarrgemeinden, in den Seelsorgebereichen, in Krankenhäusern oder Gefängnissen. Und auch in den kirchlichen Führungspositionen arbeiten sie selbstverständlich mit all ihren Kompetenzen. Frauen in Führungspositionen sind unverzichtbar für die positive Weiterentwicklung in einer Organisation. Auch in den Kirchen.

Ich denke an eine Frau, deren Hochfest am 15. August im Kalender steht: Maria. Katholische und orthodoxe Christinnen und Christen feiern die Aufnahme Mariä in den Himmel.

Marienfrömmigkeit war in den Jahrzehnten vor der Reformation ab 1517 überschwänglich. Maria erschien auf vielen Bildnissen und Skulpturen dieser Zeit. Der überwiegend analphabetischen Gesellschaft wurde durch diese Kunst die Theologie transportiert. Maria wurde dadurch mindestens so wichtig wie Jesus selbst. Die "Himmelskönigin" versprach Rettung für Menschen in all ihren Nöten. So hieß es damals.

Und genau das störte den Reformator Martin Luther. Denn - solus Christus! Allein Christus! - nur der Heiland gibt Heil und Erlösung, wie es der Theologe Luther immer wieder seine Gläubigen lehrte. Luther hat 1521 Maria so beschrieben: Sie sei eine einfache Frau im Dienst für Gott, die sich ihrem besonderen Auftrag nicht entzieht. Insofern sei sie auch ein Vorbild im Glauben: Nämlich, dass Gott auch das Niedrigste groß machen könne.
Viele Bilder sind von Maria im Laufe der 2000-jährigen Geschichte des Christentums entstanden. In Maria sehe ich eine Person mit einer großen Herzensbildung entsprechend, die sich der Aufgabe stellte, Jesus zur Welt zu bringen und ihm eben diese Herzensbildung auch zu vermitteln: Sich für die Armen und Geächteten einzusetzen und Mitleid zu empfinden.

Es steckt viel Ermutigendes in Maria, der Mutter Jesu: Sie geht den schweren Weg mit ihrem Erstgeborenen und bleibt bei ihm bis zu seinem Ende am Kreuz. Für mich ist das ein Zeichen von Stärke und Entschlossenheit. Auch ein Vorbild für heutige Frauen, die in ihren schweren Situationen keine überhöhten Frauenbilder brauchen, sondern wertschätzende Anerkennung.

Übrigens: Wo steht, dass Frauen in den evangelischen Kirchen gleichberechtigte Pfarrerinnen werden dürfen? Es gibt keinen gesonderten Paragrafen im Evangelischen Kirchenrecht, in dem steht, dass Frauen Pfarrerinnen werden können, weil es selbstverständlich ist. So, wie es selbstverständlich ist, dass Frauen Fußball spielen - und das auch sehr gut.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Meredith Monk
Album: Book of Days / Musik aus dem gleichnamigen Film
Titel: Cave Song
Solist/Solistin: Meredith Monk /Gesangssolistin
Solist/Solistin: Toby Newman /Gesangssolistin
Solist/Solistin: Nurit Tilles /präpariertes Klavier
Länge: 03:49 min
Label: ECM 1399 8396242

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