APA/AFP/CRISTINA QUICLER
Punkt eins
Gegen die Machtlosigkeit in Machtstrukturen
Was kann die neue Vertrauensstelle vera* für Sportler:innen und Kunstschaffende ausrichten?
Gäste: Claudia Koller, Geschäftsführerin vera - Kompetenzbereich Sport und Verein 100% SPORT, Österreichisches Zentrum für Genderkompetenz im Sport & Ulrike Kuner, Vorstandsvorsitzende des Vereins, der den Kompetenzbereich Kunst&Kultur bei vera umsetzt, Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch, Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Geschäftsführerin der IG Freie Theaterarbeit und Präsidentin des Europäischen Dachverbands der freien darstellenden Künste.
Moderation: Elisabeth Scharang.
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25. August 2022, 13:00
"Es gab bisher keine sportartenübergreifende Anlaufstelle für Betroffene von Belästigung und Gewalt im Sport, die nicht innerhalb einer Sportdach- oder Fachverbandsstruktur verortet ist", sagt Claudia Koller, eine der beiden Geschäftsführerinnen der neuen Vertrauensstelle vera*. "Für aktive Sportler:innen steht viel auf dem Spiel und es braucht sehr viel Mut über Belästigungs- und Gewalterfahrungen zu sprechen. Unser Angebot muss daher leicht zugänglich und die Berater:innen vertrauensvoll und sportversiert sein."
Am 5. September öffnet vera*, die neue Vertrauensstelle im Bereich Kunst, Kultur und Sport, ihr Beratungs- und Betreuungsangebot. Die unabhängige Anlaufstelle soll vor allem Betroffenen helfen, aber auch zu einem Kultur- und Systemwandel beitragen, der Theaterbühnen, Filmsets und Sportstätten frei von Demütigungen, Belästigungen, Diskriminierungen und Gewalt machen.
"Wir haben im Vorfeld eine Studie unter Kultur- und Kunstschaffenden und Sportler:innen durchgeführt. 80% der Befragten haben Erfahrungen mit Machtmissbrauch. 5% mussten sexuelle Gewalt, an ihrem Arbeitsplatz erleiden. Nur 11% glauben daran, dass sie im Fall der Meldung eines solchen Vorfalls keine beruflichen Nachteile in Kauf nehmen müssen", erzählt Ulrike Kuner von der IG Freie Theaterarbeit, die bei vera* die Interessen der Kunstschaffenden vertritt. "Das zeigt uns ganz deutlich, warum viele Betroffene so lange schweigen und wie vergiftet das Klima in zahlreichen Theatern tatsächlich ist."
Legitimieren außergewöhnliche Leistungen in der Kunst und im Leistungssport die Aushebelung von Regeln? Ist die Asymmetrie der Macht einzelner Intendant:innen, Trainer:innen, Produzent:innen oder Regisseur:innen Grundlage für Machtmissbrauch?
Vergangene Woche berichtete der ehemalige Weltklasse-Wasserspringer Jan Hempel in einer ARD-Dokumentation, dass er von seinem elften Lebensjahr an von seinem damaligen Trainer Werner Langer sexuell missbraucht und vergewaltigt worden sei, insgesamt 14 Jahre lang. Hempel warf in dem Interview Verantwortlichen beim Deutschen Schwimm-Verband vor, von dem Missbrauch gewusst, aber nichts unternommen zu haben. 2017 war es in Österreich die Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg, die erstmals öffentlich darüber sprach, worüber lange im ÖSV geschwiegen wurde: Sexuelle Gewalt und systematischer Machtmissbrauch im österreichischen Skisportbetrieb. Statt einer raschen Aufklärung und einer Entschuldigung Seitens des Verbandes, kamen zuerst einmal öffentliche Anfeindungen gegen Werdenigg.
Die Mühlen der Aufarbeitung laufen in vielen heimischen Sport- und Kulturinstitutionen zäh und langsam. So stand in diesem Sommer die Universität für Musik und darstellende Künste in Wien, eine Ausbildungsstätte für junge Filmschaffende und für Musiker:innen, öffentlich in der Kritik. Studierende fordern eine transparente Aufarbeitung von Übergriffen durch Lehrende, die in der Vergangenheit stattgefunden haben und ein Ausbildungsklima, das Sexismus und Machtmissbrauch vorbeugt. Auslöser war eine Diskussion innerhalb der österreichischen Filmbranche über eine Kultur des Schweigens, die prominente Täter:innen schützt.
Wie kann vera*, die neue Vertrauensstelle, die #metoo-Debatte in eine nächste Runde lenken? Welche Rolle spielt die Gruppe der schweigenden Mitwisser:innen? Inwiefern sollen auch die zur Verantwortung gezogen werden, die Missbrauchsfälle nicht verhindert und weggeschaut haben?
Diskutieren Sie mit Elisabeth Scharang und ihren Gästen. Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie Ihre Meinung zu dem Thema an punkteins(at)orf.at
Service
Ab 5.September : vera*
Weitere Anlaufstellen bei Machtmissbrauch und sexuellen Missbrauch und Gewalt:
#we_do! Anlauf- und Beratungsstelle gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung, Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe und Verletzungen im Arbeitsrecht für alle, die in der österreichischen Film- und Fernsehbranche tätig sind
Der Weiße Ring Verein für Opfer von Gewalttaten. Beratung über Rechte (z. B. Verbrechensopfergesetz) und weitere Unterstützungsmöglichkeiten,
materielle Unterstützung, psychosoziale oder juristische Prozessbegleitung,
organisatorische Hilfe, psychologische Hilfe.
Tamar Beratungsstelle für Mädchen, Frauen und Kinder, die sexualisierte Gewalt oder sexuellen Missbrauch erfahren mussten, bietet Beratung für betroffene Personen und deren Angehörige oder Bezugspersonen, juristische sowie psychosoziale Prozessbegleitung und Psychotherapie für Kinder und jugendliche Mädchen
Act4Respect ist ein Projekt von sprungbrett.at in Kooperation mit der AK Wien und bietet Unterstützung bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.
ZARA Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit
eine Beratungsstelle für Opfer und Zeug: innen von Rassismus.
Sendereihe
Playlist
Untertitel: Ida Maria Sivertsen, Stefan Tornby
Titel: I eat boys like you for breakfast
Ausführende: Ida Maria
Länge: 03:32 min
Label: The Island Def Jam Music Group
Untertitel: Kate Nash
Titel: Dickhead [Explicit]
Ausführende: Kate Nash
Länge: 03:42 min
Label: Polydor Records
Untertitel: Nick Blacka
Titel: Murmuration
Ausführende: GoGoPenguin
Länge: 04:12 min
Label: XXIM Records