Maurice Chevalier, Marlene Dietrich und Gary Cooper

AP

Radiokolleg

Der Anzug - Business Outfit und Gleichmacher

Getragene Geschichte in vier Kleidungsstücken

Sich mit Kleidung oder Mode zu beschäftigen, wird gerne als oberflächlich, verspielt, unvernünftig abgetan. Flitter eben, ohne Substanz und bedeutungslos. Dabei steckt unsere Kleidung voller Bedeutung. Kleidung ist Kommunikation. Und wie man nach Paul Watzlawick, nicht nicht kommunizieren kann, so plappern auch die Dinge, die wir auf Haut und Haar tragen unentwegt. Sie erzählen von Normen, von politischen und sozialen Veränderungen, von Distinktion, davon wer dazugehört und wer nicht, von Geschlechter-, Ethnizitäts- oder Klassengrenzen, und vor allem von der Überschreitung dieser Grenzen.

Das Radiokolleg von Irmi Wutscher und Anna Masoner macht sich anhand von vier Kleidungsstücken auf, diesen Grenzen und ihren Überschreitungen nachzuspüren.

Der Anzug
Kaum ein Kleidungsstück ist mit dem Aufstieg des Bürgertums und der Industrialisierung so eng verknüpft wie der Anzug: war es vor der französischen Revolution vor allem der Adel, der sich mit Mode darstellte, seinen Stand repräsentierte, drückt das moderne Subjekt - sprich Mann - über den schlichten Anzug Seriosität und Leistungsfähigkeit aus.

Die Jogginghose
Dabei kann man heute Macht und Seriosität auch in T-Shirt, Hoodie oder Jogginghose ausstrahlen und das schon lange vor der Pandemie. Wer Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren, soll ein berühmter deutscher Designer gesagt haben. Jogginghose als Zeichen der Niederlage, dieses Bild ist schlecht gealtert, aber aus ihm sprechen jede Menge noch gültiger Klassenzuschreibungen und -wertungen.

Der BH
Klassenbewusstsein zeigt und zeigte sich nicht nur in der Oberkleidung, sondern auch im Darunter. Männlicher und weiblicher Oberkörper wurden über Jahrhunderte mit Textilien, Leinenschnüren, Fischbein und Stahleinlagen geformt. Dem weiblichen Torso der Oberschicht schien durch das Korsett keine Grenzen gesetzt. Fortgesetzt hat sich die Formung des weiblichen Körpers im BH, ein Kleidungsstück, das im 20.Jahrhundert groß wird, das es aber schon seit der Antike gibt.

Das Dirndl
Das geschnürte Mieder schafft es im Dirndl auch an die Oberfläche. Das Dirndl, komplett mit ausladendem Rock und Schürze enthält Elemente alpenländischer Trachten, ist aber eine Erfindung des späten 19.Jahrhunderts für Städterinnen und alles andere als ein authentisches und traditionelles Kleidungsstück. Die Nationalsozialisten schufen ihre eigenen Versionen von deutschen Trachten und Dirndl, verkürzten die Röcke und vergrößerten die Dekolletés und verpassten dem Dirndl durch die Hochstilisierung ein schweres Erbe.

Service

Literatur

Anne Hollander "Anzug und Eros. Eine Geschichte der modernen Kleidung". dtv:1994
Barbara Vinken "Angezogen. Das Geheimnis der Mode". Klett-Cotta: 2013.
King Adz and Wilma Stone: "This is not Fashion - Streetstyle Past, Present and Future". Thames&Hudson:2018.
Shaun Cole and Miles Lambert: "Dandy Style - 250 Years of British Men's Fashion". Yale University Press: 2021.
Paola Antonelli, Michelle Fisher: "Items: Is Fashion Modern?" Thames & Hudson:2017.
Highsnobiety: "The Incomplete Highsnobiety Guide to Street Fashion and Culture". Die Gestalten Verlag:2018.
Elsbeth Wallnöfer, TRACHT MACHT POLITIK. Haymon Verlag: 2021


Links/Info

Shaun Coles Ausstellung "Dandy Style - 250 Years of British Men's Fashion" gibt es ab 7.10 in der Manchester Art Gallery zu sehen /

Wilfried Mayer - Konfektion und Maßanfertigung
Monica Titton
Carl Tillessen
Deutsches Modeinstitut
Sonja Eismann
Michel Attia
Der Powersuit der 80er Jahre
Youtube-Serie: How to make a Savile Row Suit
BH-Maßatelier Barbara Boll
Büstenhalter aus dem Mittelalter
Elsbeth Wallnöfer
Tostmann Trachten

Kostenfreie Podcasts:
Radiokolleg - XML
Radiokolleg - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Übersicht