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Punkt eins
Was ein Opfer ist
Opfer-Bringen, Opfer-Sein, Opfer-Selbstinszenierung: Facetten
eines traditionsreichen Begriffes
Gäste: Dr. Karin Peter, Theologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Praktische Theologie der Universität Wien, Leiterin des Forschungsprojektes "Religionspädagogische Analysen zur Opferthematik"; Matthias Lohre, Schriftsteller und Journalist
Moderation: Andreas Obrecht
Anrufe kostenlos aus ganz Österreich unter 0800 22 69 79, E-Mails an punkteins(at)orf.at
12. September 2022, 13:00
Millionen Menschen sind Opfer von Krieg, Gewalt, Verfolgung und äußeren Rahmenbedingungen, die von einzelnen nicht beeinflusst werden können. Andererseits wird der Begriff vielfach inflationär verwendet. Wer sich selbst als Opfer stilisiert, kann mit Zuspruch rechnen. Es scheint, dass der Opferstatus in der westlichen Kultur Vorteile mit sich bringt, zuweilen auch Macht verleiht. Zudem wurzelt der Begriff tief in der christlichen Tradition: Ein Opfer zu bringen, kann nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern nach der christlichen Heilslehre auch für die ganze Menschheit erlösend sein.
Die Theologin Karin Peter beschäftigt sich in einem aktuellen Forschungsprojekt mit dem Bedeutungswandel von Opfervorstellungen - insbesondere bei Jugendlichen, in deren Alltagssprache "du Opfer" eine Beleidigung, ein Schimpfwort geworden ist. Was sagt solcher Bedeutungswandel über das soziale Verständnis von den jeweils anderen und der Umwelt aus? Wo liegen die Grenzen zwischen Abwertung, Aufwertung und den theologischen Vorstellungen des Opfer-Bringens, als heilsame, emphatische Handlung?
Der Schriftsteller und Journalist Matthias Lohre hat sich in seinem Buch "Das Opfer ist der neue Held" mit der Frage befasst, warum ein selbstinszenierter Opferstatus Menschen in bestimmten Situationen Macht und Anerkennung verleiht. Er spricht von einer "neuen Lust am Opfer-Sein", einer Stilisierung, die in der Rolle des letzten US-amerikanischen Präsidenten einen ersten exemplarischen Höhepunkt erfahren hat. Spätestens seit Beginn der Covid-19-Pandemie sind wir alle, in der einen oder anderen Weise, zu Opfern geworden. Wie gehen wir damit um, und welche Konsequenzen haben diese Zuschreibungen in der Gegenwart von Energiekrise, Teuerung und Krieg vor der Haustür?
Matthias Lohre und Karin Peter sind zu Gast bei Andreas Obrecht und diskutieren mit den Hörerinnen und Hörern die vielfältigen sozialen Facetten eines traditionsreichen Begriffes, der heute für ein ganzes Arsenal unterschiedlicher Vorstellungen, Werthaltungen und Handlungsorientierungen steht. Wie immer freut sich die Redaktion über rege Beteiligung am Gespräch, telefonisch unter 0800 22 69 79 während der Sendung, oder via E-Mail an punkteins(at)orf.at.
Ist die Gegenwart, wie viele meinen, von einer "Opferversessenheit" geprägt? Wann und warum fühlen Sie sich als Opfer? Was gibt "vermeintlichen Opfern" Befriedigung, Genugtuung, Macht? Welche Feindbilder werden in der gesellschaftlichen Debatte konstruiert um Opfermythen entstehen zu lassen? Ist das Opfer-Bringen unzeitgemäß geworden und was ist darunter überhaupt zu verstehen?
Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach
Gesamttitel: Das Musikalische Opfer
Titel: Sonata Sopr'll Soggetto Reale
* Allegro
Ausführende: Jordi Savall & Le Concert Des Nations
Länge: 02:53 min
Label: Harmonia Mundi
Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach
Gesamttitel: Das musikalische Opfer
Titel: Canon Perpetuus (Per Justi Intervali)
Ausführende: Le Concert des Nations
Leitung: Jordi Savall
Länge: 03:27 min
Label: Harmonia Mundi
Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach
Gesamttitel: Das musikalische Opfer
Titel: Canon a 4
Ausführende: Jordi Savall & Le Concert Des Nations
Länge: 04:39 min
Label: Harmonia Mundi