Vaughan Williams, Britten, Tippett

5. Oktober 2022, 14:05

Ein Konzertprogramm mit Musik aus England. Der junge englische Dirigent Duncan Ward hatte für sein Debut beim ZKO ausschließlich Musik aus seiner Heimat aufs Programm gesetzt.


Verinnerlichte Ekstase

Das Thema der vor 122 Jahren uraufgeführten Fantasia on a Theme by Thomas Tallis fand Ralph Vaughan Williams in der Vertonung eines Psalms des englischen Renaissance-Komponisten Thomas Tallis. Außer dem großen Streichorchester verwendet Vaughan Williams ein kleineres. Es wird hinter dem großen platziert, hinzu kommen ein Streichquartett und eine Solo-Viola. Drei Jahre vor der Uraufführung der "Tallis Fantasia" hatte sich der fast 40-jährige Vaughan Williams bei Maurice Ravel in Paris Tipps in Privatstunden geholt.


Von den Schattenseiten der Nacht

1942 lernte Britten den Hornisten Dennis Brain kennen, von dessen Spiel er so beeindruckt war, dass er für ihn und seinen Lebenspartner einen Orchesterliederzyklus schrieb. Die Uraufführung der "Serenade for Tenor, Horn und Strings" fand am 15. Oktober 1943 in der Londoner Wigmore Hall mit Dennis Brain und Peter Pears statt. Der Titel erinnert an Nachtmusiken und Ständchen. Für eine Ausweitung sorgen sowohl Brittens Musik als auch die Texte englischer Lyriker. Sie umkreisen die Nacht, ihren Zauber und ihre Schattenseiten: Nachtgedanken, Nachtbilder, Albträume.
Auf die raffinierte Schlichtheit des Prologes und der ersten drei Sätze folgt Elegy: "Was Blakes seltsame Poesien betrifft, so hatte er die Strophen von der Rose in Töne gesetzt, deren Leben von der dunklen Liebe des Wurms zerstört wird, welcher den Weg in das karmesinfarbene Bett gefunden hat. ... Die böse Schlichtheit des Gedichts war in der Komposition vollkommen wiedergegeben." So erinnert sich Serenus Zeitblom in Thomas Manns Roman "Doktor Faustus" (1947). Zeitblom, der betuliche, sich an humanistische Werte klammernde Chronist, ist von der künstlerischen Radikalität seines Freundes, des (fiktiven) "Tonsetzers"Adrian Leverkühn, beunruhigt. Kapitel 20 des Faustus-Romans spielt zu der Zeit, als Britten das Blake-Gedicht vertonte. Mann war mit Brittens Vertonung vertraut gewesen.

Was die BBC einst unattraktiv fand

Im selben Jahr wie Brittens "Serenade" wurde, ebenfalls in der Wigmore Hall, das klangprächtige, rhythmusbetonte und melodiesatte "Concerto for Double String Orchestra" von Michael Tippett uraufgeführt. Formal steht es in der Tradition des barocken Concerto grosso - eine Gruppe kleiner Instrumente in Konfrontation und Zusammenspiel mit einer größeren. Verschiedenste Einflüsse finden sich zu einer einprägsamen Sprache vereint: der Jazz eines Louis Armstrong und einer Bessie Smith, englische Folkmusik und Musik des 17. Jahrhunderts. In den 1940er Jahren wurde das Werk der BBC angeboten, aber vom britischen öffentlich-rechtlichen Sender nicht angenommen. Begründung: "unattractive". Der 38-jährige Tippett erlebte die Uraufführung nicht mit. Er war in einer Zelle des HM Prison Wormwood Scrubs. Der überzeugte Pazifist war zwar als Kriegsdienstverweigerer anerkannt, aber auch nicht bereit, humanitäre oder administrative Arbeiten in der Armee anzunehmen. Tippett wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, wovon er zwei absaß.

Sendereihe

• Das Ö1 Konzert

Gestaltung

• Peter Kislinger