Brigitte Schwens-Harrant

ORF/JOHANNES PUCH

Gedanken für den Tag

Sylvia Plath

Brigitte Schwens-Harrant, Literaturkritikerin, Buchautorin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche", beleuchtet Leben und Schreiben der vor 90 Jahren, am 27. Oktober 1932, in Massachusetts geborenen Lyrikerin Sylvia Plath

Anpassung

"In diese Zwischendeckladung von Neu-Bürgern sollten durch freie Gemeindeschulen die Lehren von Freiheit und Gleichheit eingepflanzt werden." So beschreibt die im Oktober 1932 geborene Lyrikerin Sylvia Plath in "America! America!" pointiert das Bildungs- und Einbürgerungssystem öffentlicher Schulen in den USA ihrer Kindheit.

"Jeden Morgen legten wir die Hand aufs Herz und gelobten Treue den Sternen und Streifen der amerikanischen Flagge, die als wesenlose Altardecke auf dem Lehrertisch lag. Und wir sangen Lieder von Pulverdampf und Patriotismus zu unmöglichen, schwankenden, viel zu hohen Melodien."

Die Familie des Vaters stammte aus Deutschland, die der Mutter aus Österreich. Das Thema Amerikanischwerden war Sylvia Plath also vertraut. Der spöttische Ton ist unüberhörbar, wenn es heißt: "Ich (.) verwechselte Gott mit George Washington (dessen lammfrommes Großmuttergesicht, umkränzt von hübschen weißen Locken, von der Wand des Klassenzimmers auf uns herunterschien)". Die Welt stand offen, wenn man fleißig war. Man war versessen aufs College, "ein heimtückischer schrecklicher Virus", schreibt Sylvia Plath mit ihrem unbestechlichen Blick. Und weiter:

"Kürzlich spähte ich durch die verglaste Seitenwand in eine amerikanische Volksschule: Kindgerechte Tische und Stühle aus sauberem, hellem Holz standen da, spielzeugkleine Öfen und winzige Trinkwasserhähne. Die Sonne schien ungehindert hinein. Das ganze Chaos, alle Qual und aller Mut, woran ich mich so zärtlich erinnere, waren in einem Vierteljahrhundert sanft entschwunden. Eine Klasse hatte den Vormittag busfahrend zugebracht, um zu lernen, wie man Fahrgeld bezahlt und nach der richtigen Haltestelle fragt. Lesen - unsereins lernte es mit vier Jahren von den Aufschriften der Waschpulverkartons - war eine so traumatische und stürmische Kunst geworden, dass man sich glücklich schätzte, es mit zehn Jahren geschafft zu haben. Aber die Kinder da im Kreis lächelten. Doch sah ich dort im Erste-Hilfe-Schrank nicht einen Schimmer, das Funkeln von Flaschen - Gleichmacher und Weichmacher für (.) den Künstler, den Andersdenkenden?"

Service

Buch, Sylvia Plath, "Die Bibel der Träume", Frankfurter Verlagsanstalt 2012

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Leonard Bernstein
Bearbeiter/Bearbeiterin: Sid Ramin
Bearbeiter/Bearbeiterin: Irwin Kostal
Album: LEONARD BERNSTEIN (1918-1990) - A TRIBUTE
* Finale. Adagio (00:03:16)
Titel: Symphonic Dances aus dem Musical "West Side Story"
Anderssprachiger Titel: Symphonische Tänze
Orchester: New York Philharmonic
Leitung: Leonard Bernstein
Länge: 03:16 min
Label: CBS SMK 46701

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