ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Gedanken für den Tag
Mythen und Geschichten
Der Schriftsteller Michael Köhlmeier macht sich Gedanken über Johann Heinrich Voß, Übersetzer von Klassikern der Antike
17. Oktober 2022, 06:56
Da sitzt auf dem Thron Martin Luther und ihm zur Linken sitzen August Wilhelm Schlegel, Ludwig Tieck und seine Tochter Dorothea, zur Rechten aber Johann Heinrich Voß. Sie, die im Dichterhimmel thronen, haben die deutsche Sprache tiefer geprägt als mancher Klassiker, mehr als Kleist, mehr als Schiller und Hölderlin, nicht weniger als Goethe. Sie waren "nur" Übersetzer.
Luther hat die Bibel übersetzt, Schlegel und die Tiecks übersetzten Shakespeare und Johann Heinrich Voß den Homer. Das "nur" ist eigentlich eine Unverschämtheit, denn sowohl der deutsche Shakespeare als auch der deutsche Homer gehören zum Herzstück der Dichtung in unserer Sprache. Von der Lutherbibel sagt man sogar, sie habe die moderne deutsche Sprache begründet. Also keine Rede von "nur Übersetzung".
Im Jahr 1781 veröffentlichte Johann Heinrich Voß seine Übersetzung der Odyssee, auf eigene Kosten übrigens. Es ist heute schwer nachvollziehbar, was für eine Sensation dieses literarische Werk ausgelöst hat und mit welchen Folgen. Es war, als hätte dieser ehemalige Hauslehrer aus Mecklenburg den Vorhang beiseite gezogen und den Blick auf eine große, ehrwürdige Vergangenheit freigegeben. Die Begeisterung von Goethe, Schiller, aber auch der Romantiker für die Antike hatte ihren Grund darin, dass endlich das Zentralgestirn der antiken Literatur, eben der Homer, in angemessener deutscher Sprache vorlag. Das in kleine, eifersüchtige Fürstentümer zersplitterte Deutschland vereinigte sich in der sehnsuchtsvollen Liebe zu einer mythischen Vergangenheit.
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Johannes Brahms 1833 - 1897
Bearbeiter/Bearbeiterin: Antonin Dvorak 1841 - 1904
Album: Ungarische Tänze für Klavier / Bearbeitung für Orchester
Titel: Ungarischer Tanz Nr.17 in fis-moll - Andantino, Vivace
Orchester: Wiener Philharmoniker
Leitung: Claudio Abbado
Länge: 02:45 min
Label: DG 4106152