Nicholas Collon

AFP/ANP/FREEK VAN DEN BERGH

Das Ö1 Konzert

Adès, Kulesha, Prokofjew

(I) Finnish Radio Symphony Orchestra, Dirigent: Nicholas Collon; Pekka Kuusisto, Violine. Thomas Adès: Märchentänze für Violine und Orchester (2020) (aufgenommen am 26. August in der Royal Albert Hall, London im Rahmen der "Proms 2022) (II) Auckland Philharmonia Orchestra, Dirigent: Giordano Bellincampi; Bede Hanley, Oboe. Gary Kulesha: Konzert für Oboe und Orchester Serge Prokofjew: Symphonie Nr. 7 cis-Moll op. 131 (aufgenommen am 22. Oktober 202 in der Town Hall, Auckland). Präsentation: Peter Kislinger

Märchenhafte Volkstänze

Thomas Adès komponierte seine vier "Märchentänze (Dances from Fairy Tale)" - so der Originaltitel - im Jahr 2020 für Violine und Klavier. Ein Jahr später entstand eine Fassung für Violine und Orchester. Jeder der vier Tänze schöpfe aus "englischen Volkstänzen".


Volksnahe Kunst

Am 20. Februar 1948 hatte das ZK der KPdSU (Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion) einen Beschluss gegen "Formalismus und Volksfremdheit" in der Kunst verabschiedet. Erwähnt fanden sich u.a. Prokofjew, Schostakowitsch, Chatschaturjan und Weinberg. Vorgeworfen wurden ihnen "formalistische Verzerrungen und antidemokratische Tendenzen, die dem Sowjetvolk und seinem künstlerischen Geschmack fremd sind." Unter Androhung von Verfolgung wurde Kunstschaffenden so genannte "volksnahe" Kunst abverlangt: "Kunst und Musik müssen von Elementen gesäubert werden, die dem Sowjetvolk fremd sind." Das klang nicht nur lebensbedrohlich. Prokofjew musste öffentlich "Atonalität" gestehen und sich reumütig Rückkehr zu "Melodie" geloben.
1950 kam der Auftrag von Radio Moskau: Bitte ein einfaches Werk für Kinder und Jugendliche. Prokofjews 7. Symphonie musste sich "aus dem Westen" böseste Urteile gefallen lassen: "Kapitulation vor dem Terror, künstlerischer Bankrott, Sowjetkitsch." Das Werk hat in den letzten zehn, fünfzehn Jahren erstaunliche und verdiente Rehabilitation erfahren. Denn: Nicht nur die Kinder speist man mit Märchen ab, auch Politfunktionäre und Politikkommissare. So ist seine letzte Symphonie so etwas wie eine Abschiedssymphonie mit Kindheitserinnerungen. Das Ende des Werks klingt nachdenklich, nostalgisch, wehmütig? Prokofjew klebte nach unmissverständlicher Intervention so etwas wie optimistische Takte daran - die Parteikommissare und Stalin waren´s zufrieden. Mittlerweile wird meist die Originalfassung gespielt. Auch der Dirigent Giordano Bellincampi und das Auckland Philharmonia Orchestra respektierten Prokofjews Absicht.


Revolutionär oder reaktionär? Zeitgenössisch!

Der 1954 in Toronto geborene Komponist, Dirigent, Pianist und Musikpädagoge Gary Kulesha beginnt seine Kompositionen "in einer der Tradition verbundenen Sprache. Ich setze sie aber in einer Sprache fort, die nicht so einfach zu definieren ist." Er denke nicht in Kategorien wie atonal oder tonal. "Ich schreibe Musik, wie ich sie höre." Was Dodekaphonie, serielle Musik und die sogenannte Avantgarde-Musik nach 1950 und noch bis in die 1970er Jahre wirklich gut konnten, das sind Angstzustände, Stress, Bedrohung. Diese Ausdrucksmittel begann er bald als Einschränkung zu empfinden. Er wollte Musik schreiben, die besser auszudrücken imstande ist, "wer wir sind". Musik müsse aber "zeitgenössisch" sein, um eine Berechtigung zu haben. In den letzten Jahren wollte er nichts Revolutionäres oder noch nie Dagewesenes anstreben, nur von den Klischees der 1950er bis 1970er loskommen und Musik schreiben, die es zu keiner anderen Zeit hätte geben können. Das gilt nicht für die Einzelelemente, die man gewiss in der Vergangenheit verwendet hat, aber, so hofft Gary Kulesha auch für sein Oboenkonzert (2019), deren Kombination "ist typisch 21. Jahrhundert."

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Thomas Adès / *1971
Titel: Märchentänze ('Dances from Fairytale') für Violine und Orchester (2020)
Orchester: Radio-Symphonieorchester des Finnischen Rundfunks
Solist/Solistin: Pekka Kuusisto / Violine
Leitung: Nicholas Collon
Länge: 14:13 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Gary Kulesha/ *1954
Titel: Konzert für Oboe und Orchester
Oboenkonzert
Solist/Solistin: Bede Hanley / Oboe
Orchester: Auckland Philharmonia Orchestra
Leitung: Giordano Bellincampi
Länge: 25:07 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Sergej Prokofjew /1891 - 1953
Titel: Symphonie Nr.7 in cis-Moll op.131
* Moderato - 1.Satz)
* Allegretto - 2.Satz
* Andante espressivo - 3.Satz )
* Vivace - 4.Satz
Orchester: Auckland Philharmonia Orchestra
Leitung: Giordano Bellincampi
Länge: 30:50 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Sergej Prokofjew /1891 - 1953
Titel: Symphonie Nr.7 in cis-moll op.131
* Vivace - 4.Satz (00:08:15; zu hören: 00:02´:00)
Orchester: Royal Scottish National Orchestra
Leitung: Neeme Järvi
Länge: 02:00 min
Label: Chandos Chan 8831-34

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