Jenseits von Eden

8. Dezember 2022, 07:05

1. Die Unschuld ist verloren, die Freiheit nicht - Bibelessay zu Genesis 3,9-21

Vom ersten Moment des Lebens an, von ihrer Empfängnis bis zum Tod, ohne Schuld: Als einen solchen Menschen feiert die römisch-katholische Kirche die Mutter des Messias, des Christus - Maria aus Nazareth. Eine Glaubensüberzeugung, die Papst Pius IX. 1854 als Dogma formuliert hat. In der Geschichte Österreichs hat der Feiertag am 8. Dezember - genau neun Monate vor dem Fest "Mariä Geburt" am 8. September - eine besondere Bedeutung. 1647 ließ Kaiser Ferdinand III. zum Dank für die Errettung Wiens aus den Gefahren des 30-jährigen Kriegs die Mariensäule auf dem Wiener Platz "Am Hof" errichten und führte den Marien-Feiertag ein. Das NS-Regime hob den Feiertag auf. 1955 wurde der 8. Dezember aufgrund einer breiten Volksbewegung wieder zum Feiertag erklärt.
Maria gilt im Christentum als neue Eva, die einst mit Adam ihre paradiesische Unschuld verloren hat, wovon auch der Bibeltext aus dem alttestamentlichen Buch Genesis erzählt, der am 8. Dezember in katholischen Kirchen gelesen wird. Der Feiertag erinnert die katholische Theologin Regina Polak daran, dass sie selbst - biblisch gesprochen - Eva ist und Maria sein kann: "Ich kann nicht mehr in den Zustand kindlich-naiver Unschuld zurückkehren. Aber ich kann mich in Freiheit für Gott und das Gute entscheiden. Das gefällt mir besser, als in ethischer Gleichgültigkeit im Paradies zu leben."


2. Von Christ:innen und Muslim:innen verehrt - Maria/Maryam, die "Mutter des Gesalbten"

Als "Immaculata", als Makellose, die ohne Schuld und Sünde ist, wird Maria aus Nazareth im Christentum verehrt. Gilt sie doch als Mutter des Messias, des Christus. Doch das nicht nur gemäß der Bibel; folgt man dem Koran, wird sie auch dort als Mutter des Messias, arabisch "Masih", bezeichnet. Und der Messias Jesus, Isa Al-Masih, zwar nicht als Gottessohn, aber als Sohn der Maria: Isa ibn Maryam. Die Tatsache, dass über Maria/Maryam im Koran mehr und ausführlicher erzählt wird als im Neuen Testament der Bibel, hat die Wirtschaftswissenschafterin und evangelische Theologin Angelika Meirhofer veranlasst, ein Buch zu schreiben, das Maria als inspirierendes Vorbild in Christentum und Islam schildert. Maria Harmer hat die Vielseitige, die auch als Coach und Wanderführerin tätig ist, aufgesucht und mit ihr über ein sehr vielfältiges Marienbild gesprochen.


3. Die Möglichkeit feiern, aufzuwachen - Gedanken zum buddhistischen Bodhi-Tag

Unter dem "Baum des Erwachens", dem sogenannten Bodhi-Baum im nordindischen Bodhgaya, ist laut Überlieferung vor mehr als 2.500 Jahren Siddharta Gautama gesessen und hat meditiert; so lange, bis er Erwachen und Erleuchtung gefunden hat und Buddha wurde. Daran erinnert der Bodhi- oder Erleuchtungstag, der in manchen buddhistischen Strömungen am 8. Dezember begangen wird. In der Woche davor ist es in Zen-Klöstern Tradition, intensiv zu meditieren, durchgehend zu schweigen, keinen Augenkontakt zu suchen, also ganz für sich zu bleiben und nach innen zu gehen: "Geist und Herz zu sammeln, sich zu fokussieren auf Mitgefühl und Erkenntnis". So beschreibt das die ordinierte Zen-buddhistische Priesterin Doris Harder, Mitglied der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft. Die Meditierenden suchen dabei nach je eigenen Antworten auf die Frage, wie sie auf das Leiden der Welt, das das eigene beinhaltet, antworten wollen.


4. Füreinander Anker sein - Nora Tödtling-Musenbichler, Direktorin der Caritas Steiermark

Als Gymnasiastin initiiert sie ein Lernprojekt für benachteiligte Schülerinnen und Schüler, als Theologie-Studentin managt sie das Grazer Vinzi-Dorf für Obdachlose. Sie steigt zur Leiterin der Vinzi-Werke Österreich auf und zuletzt zur Direktorin der Caritas Steiermark und Vize-Präsidentin der Caritas Österreich: Nora Tödtling-Musenbichler. Solidarität prägt das Leben der 39-Jährigen gewissermaßen als Leitmotiv: "Glaube und Soziales gehören für mich zusammen. Caritas heißt für mich, dass wir gemeinsam für Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen und Altersstufen ein Anker sein dürfen", sagt sie. Ein Porträt im Rahmen des Programmschwerpunktes "Füreinander" von ORF Religion und Ethik multimedial.

Service

Buch, Angelika Meirhofer, "Maria, inspirierendes Vorbild - für wen? Zur Frage nach Maria in Bibel und Koran. Die Bedeutung des Marienbildes in Christentum und Islam für den interreligiösen Dialog", LIT-Verlag

Bibelessay zu Genesis 3,9-21

Sendereihe

• Lebenskunst