Für wen ist Kunst da?

30. Dezember 2022, 13:00

Das zu Ende gehende Jahr scheint reich an Skandalen und Kontroversen in und um den Bereich Kunst und Kultur, vom Eklat bei der Großausstellung documenta um ein Kunstwerk mit antisemitischen Bezügen bis zu den Aktionen von Klimaaktivist:innen in Museen, von Ausbeutungs-Vorwürfen bis zu Fragezeichen bei der Nachbesetzung wichtiger Funktionen.

Für den Kulturschaffenden und Autor Fabian Burstein setzt das eine lange Kette grundsätzlicher Probleme fort. In seinem Buch "Die Eroberung des Elfenbeinturms. Streitschrift für eine bessere Kultur" diagnostiziert er weit verbreiteten Machtmissbrauch, Intransparenz und Vermischung mit parteipolitischen Interessen - und er kritisiert eine Haltung, wonach Kunst "alles darf, aber nichts muss". Kunst und Kultur hätten sich von den Interessen vieler Menschen entfernt. "Im Wirbel der großen Inszenierung gerät eines oft in Vergessenheit: Die Theater, Museen und Konzerthäuser gehören uns. Sie sind dazu da, unsere Bedürfnisse zu berücksichtigen, unsere Lebensumstände abzubilden und unsere Probleme zu verhandeln."

Die Kunsthistorikerin und Literaturwissenschaftlerin Lisa Ortner-Kreil bringt als Mitbegründerin der Initiative "art hoc projects" Kunst an Orte und zu Menschen, die typischerweise nicht Zielpublikum sind. Als Kuratorin am Bank Austria Kunstforum in Wien gestaltet sie dagegen Ausstellungen für ein "typisches" Publikum: das dafür zahlt, Kultureinrichtungen zu besuchen.

Der Kunsthistoriker Günther Oberhollenzer war von 2006 bis 2015 Kurator am Essl Museum, danach an der Landesgalerie Niederösterreich; vor Kurzem wurde er zum künstlerischen Leiter des Künstlerhauses in Wien bestellt. Sein Buch "Von der Liebe zur Kunst" beschreibt die Begegnung mit Kunst der Gegenwart als spannende persönliche Auseinandersetzung. Die soeben erschienene dritte Auflage des Buchs diskutiert aber auch die fragile Freiheit der Kunst zwischen Zensurversuchen alten Stils und den neuen Debatten um #metoo, kulturelle Aneignung und "Cancel Culture".

Wem gehören Kunst und Kultur? Sind die heutigen Einrichtungen angesichts neuer Medien und Plattformen noch zeitgemäß? Ist eine (Zurück-)Eroberung des "Elfenbeinturms" nötig - was würde sie bringen und wie wäre sie möglich?

Darüber spricht Johann Kneihs mit seinen Gästen und mit Ihnen: Die Redaktion freut sich über Ihre Beiträge zum Gespräch, telefonisch während der Sendung unter 0800 22 69 79 oder per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Bücher:
Fabian Burstein: Die Eroberung des Elfenbeinturms. Streitschrift für eine bessere Kultur. Edition Atelier 2022
Günther Oberhollenzer: Von der Liebe zur Kunst. Essay. Limbus Verlag 2022

Sendereihe

• Punkt eins

Gestaltung

• Johann Kneihs