Else Ury - Nesthäkchens jüdische Mutter

9. Jänner 2023, 06:56

An Else Ury zu denken, heißt vor allem an die "Nesthäkchen"-Bücher zu denken. Abgesehen davon erhalten heute Leben und Werk der Autorin kaum Beachtung. Die 1877 geborene deutsche Jüdin wurde vor 80 Jahren, am 13. Jänner 1943, direkt nach ihrem Eintreffen in Auschwitz im Gas ermordet.

Ich habe bei den Recherchen eine Frau kennengelernt, die in insgesamt 39, vor allem für Kinder und Jugendliche geschriebenen Büchern von ihrer krisenhaften Gegenwart erzählte. Die dramatischen sowohl politischen als auch technischen Veränderungen prägen in ihrer Widersprüchlichkeit das Werk Else Urys, dem, wie ich meine, zu Unrecht Rückwärtsgewandtheit als entscheidendes Merkmal vorgeworfen wird. Sie schrieb, um es mit einem aus der Mode gekommenen Wort zu sagen, über Tugenden, die das Leben leiten sollen: Großzügigkeit, Besonnenheit, Fleiß, Demut, Wohlwollen, Liebe.

Der Gedanke an Parallelen zu unserer Gegenwart lässt mich nicht los, denn damals wie heute dominieren bedrohliche Verhältnisse und Veränderungen, deren Auswirkungen wir ebenso wenig absehen können, wie Else Ury zu ihrer Zeit. Herausforderungen, für die es besonnenes Handeln und Verlässlichkeit braucht.

Von daher verstehe ich ihr Beharren auf hergebrachte gesellschaftliche Formen und vor allem auf Werthaltungen. Es ging ihr darum, zwischen Bewahren und Aufbruch eine stimmige, tragfähige Balance und damit Stabilität herzustellen. Dafür wird zumindest indirekt die jüdische Tradition wirksam gewesen sein. Denn selbst als sich deren aktive Pflege in der Familie Ury nach dem Tod des in der jüdischen Gemeinde noch sehr engagierten Vaters verlor, ist sie als Basis erhalten geblieben.

Und Else Ury hatte Erfolg, ihre Auflagen gingen in die Millionen. Das bestärkte, und es bestärkte fürs Weitermachen.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler