Susan Sontag über Politik

17. Jänner 2023, 06:56

Als die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag in den 1960er Jahren viele ihrer wichtigen Essays schrieb, ließen die USA Napalmbomben auf Vietnam fallen und Martin Luther King versammelte Menschen, um gegen den Rassismus vorzugehen, bevor er 1968 erschossen wurde.

Mit ihrer Heimat, den USA, ging Sontag zu dieser Zeit dementsprechend schonungslos und hart ins Gericht. In ihrem 1966 geschriebenen Essay "Was in Amerika geschieht" lässt sich diese Wut nachlesen. "Amerika ist auf Völkermord gegründet", heißt es da, "es beruht auf der fraglosen Voraussetzung, dass es das Recht weißer Europäer sei, eine einheimische (...) Bevölkerung auszurotten, um den Kontinent in Besitz zu nehmen. "Amerika hatte nicht nur das brutalste System von Sklaverei der Neuzeit", schreibt sie, "sondern auch ein einzigartiges Rechtssystem, das Sklaven in keinerlei Hinsicht als Menschen anerkannte".

Sontag sah ihre Heimat von "leidenschaftlichem Rassismus geprägt" und vermutete: "das wird in absehbarer Zukunft auch so bleiben". Dass sich die immens belesene Intellektuelle damals für den Kommunismus entschied, der in den USA als Alternative zum Kapitalismus und seinen Auswirkungen lockte, war einer Blindheit geschuldet. Als sie später Flüchtlinge aus den kommunistischen Staaten kennenlernte, begann sie zu sehen. 1982 kam es zur legendären Lossagung vom Kommunismus.

Rückblickend hat sich Sontag in ihren politischen Einschätzungen immer wieder auch geirrt. Ihre prinzipiellen Warnungen bleiben allerdings weitsichtig und aktuell: etwa jene vor dem "Schaden, den der westliche ‚faustische' Mensch mit seinem Idealismus, seiner großartigen Kunst, (...) seinen weltverschlingenden Eroberungsenergien bereits angerichtet hat und weiter anzurichten droht".

Service

Susan Sontag, "Was in Amerika geschieht. In: Gesten radikalen Willens", S. Fischer
Benjamin Moser, "Sontag. Die Biografie", Pantheon Verlag

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler