Zwischenruf

Helfen - aber wie?

Emma Lipka, Maturantin in Wien, über erwünschte und unerwünschte Hilfe

Ich sitze in meinem Zimmer und lese etwas Spannendes. Oder ich höre gemütlich Musik. Obwohl … ganz gemütlich ist es nicht, denn in meinem Kopf macht sich ein ungemütlicher Gedanke breit: Meine Mama ist gerade beim Kochen, eigentlich könnte ich ihr helfen. Auch wenn ich nichts sehe, weil ich ja blind bin, kann ich das sehr gut. Ich kenne mich in unserer Küche aus und weiß genau, wo ich was finde. Aber ich bin eben auch bequem, ein Faulpelz. Also kommt es vor, dass ich auf das Helfen verzichte. Und vielleicht geht es ja anderen auch so, dass sie sich einfach nicht aufraffen können…

Ich glaube aber, dass Bequemlichkeit nicht das einzige ist, was das Helfen schwierig macht: Die eigene Wahrnehmung spielt auch eine gewisse Rolle in diesem Kontext. So könnte man zum Beispiel gar nicht merken, dass jemand Hilfe braucht, schlicht und einfach, weil man woanders hinschaut - oder, wie in meinem Fall, gar nichts sieht. Das soll jetzt bitte keine Ausrede für mich als Blinde sein, warum ich niemandem helfen kann. Im Gegenteil: Wenn ich bemerke, dass ich jemandem etwas Gutes tun kann, dann tue ich dies auch meistens - von der vorher beschriebenen Situation einmal abgesehen.

Jedoch passiert es mir auch, dass ich jemandem helfen will, der keine Hilfe braucht. So habe ich einmal einer Mitschülerin ein Mathebeispiel erklärt, obwohl sie es verstanden hat. Ich wollte ihr etwas Gutes tun, aber sie hat genau das als übergriffig empfunden. Deshalb denke ich, dass es manchmal sinnvoller ist, zuerst zu fragen, ob jemand Hilfe braucht, bevor man zur Tat schreitet. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass es sich oft seltsam anfühlt, wenn Leute versuchen, einem zu helfen, ohne vorher zu sagen, was sie tun.

So hat mich einmal eine Lehrerin einfach an der Hand genommen und die Treppe hinaufgeführt, obwohl ich meinen Weg selbst kannte. Zunächst verstand ich überhaupt nicht, was das jetzt sollte, und ich fühlte mich gedemütigt, weil ich ja keine Hilfe brauchte. Als ich der Lehrerin dann freundlich sagte, dass es zwar nett von ihr sei, dass sie mir helfen wollte, dass ich aber ganz gut selbst klarkam, tat es ihr gleich furchtbar leid, dass sie mich unterschätzt hatte - das tat dann wiederum mir leid, weil sie ja eigentlich nur helfen wollte. Also entschuldigten wir uns im Endeffekt beide für etwas, für das man sich eigentlich nicht entschuldigen muss. Es ist also gar nicht so einfach.

Die Religionen fordern die Menschen dazu auf, einander zu helfen. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, heißt es in der Bibel. Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter macht Jesus ganz unmissverständlich deutlich, wie wichtig es ist, darauf zu achten, ob jemand Unterstützung braucht.

Ich finde es wichtig, dass Menschen füreinander da sind, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion oder anderen Dinge. Ich würde einfach empfehlen nachzufragen, ob die andere Person wirklich Hilfe braucht. Ich glaube, dass jeder Mensch sehr gut selbst einschätzen kann, wann eine solche Situation auftritt. Zumindest hoffe ich das. Und wenn es einmal nicht sicher ist, ob Hilfe benötigt wird: dann einfach nachfragen. Das ist meine Empfehlung.


Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Andreas Dombert
Album: Guitar
Titel: Like the birds sing - movement 2 - für Gitarre solo
Solist/Solistin: Andreas Dombert /Gitarre
Länge: 08:29 min
Label: Enja/Yellowbird Records ENJA9767

weiteren Inhalt einblenden