Frau hält sich Kopf

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Medizin und Gesundheit

Ursachen für das Fatigue Syndrom

Grenzenlose Erschöpfung

Fatigue ist in der Medizin schon lange bekannt. Nach Krebserkrankungen, bei Multipler Sklerose, nach TBC und anderen schweren Erkrankungen kommt es häufig zu langanhaltenden Erschöpfungszuständen. Auch eine ganze Reihe von Viren - wie Epstein-Barr, Influenza etc. - können Fatigue auslösen. Durch die Coronapandemie wurde aber ein völlig neues Kapitel aufgeschlagen. Denn plötzlich gibt es sehr viele Betroffene innerhalt kurzer Zeit.

Das Post-Covid-Syndrom

Viele Menschen berichten nach überstandener SARS-CoV-2 Infektion darüber, lange nicht "auf den Damm" zu kommen. Nicht alle Beschwerden sind ausschließlich auf das SARS-CoV-2-Virus zurückzuführen. Bestehen jedoch ein bzw. drei Monate nach der Erkrankung nach wie vor eine bleierne Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Atemnot, so bezeichnet man dies als Long-, bzw. Post-COVID-Syndrom.
Neue Begriffe für ein lange bekanntes Krankheitsbild, wie unser Sendungsgast der Neurologe Dr. Michael Stingl erklärt. Schließlich führen viele virale Erkrankungen auch langfristig zu ähnlichen Beschwerden oder zu häufigen Infekten. Diese Phänomene verschwanden bisher in vielen Fällen nach einer gewissen Zeit wieder. Wie das mit Long-Covid sein wird, weiß man noch nicht.

ME/CFS - Die Erkrankung, die keine Lobby hat

Und dann gibt es noch das Bild der Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome. Die Betroffenen leiden an einer starken körperlichen Erschöpfung, die typischerweise nach körperlicher, geistiger oder emotionaler Anstrengung verstärkt wird. Daher sind körperliche Betätigung und auch Rehab-Aufenthalte in diesen Fällen keine gute Idee. Auch dafür gibt es einen Begriff: Post-Exertional Malaise (PEM).

Der Alltag ist kaum mehr bewältigbar

Bereits kleine Tätigkeiten wie Einkaufen, Zähneputzen, sogar das zu rasche Aufstehen, können den Zustand verschlimmern. Viele ME/CFS-Betroffene sind nicht mehr in der Lage, am sozialen Leben teilzunehmen. Im Gegensatz zu einer Depression ist der psychische Antrieb durchaus vorhanden. Muskelschmerzen, grippale Symptome, Konzentrationsstörungen und eine zunehmende Verschlechterung des Allgemeinzustandes kommen hinzu.

Auch in der Ärzteschaft zu wenig bekannt

Auch wenn ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome) zu einem hohen Leidensdruck führt, wird den Betroffenen oft kein Glauben geschenkt und mangelnde Selbstdisziplin vorgeworfen. Dabei hat die WHO ME/CFS bereits seit mehr als 50 Jahren als neurologische Erkrankung eingestuft. Seit 2022 ist in der aktuellen Fassung des Krankheitskataloges ICD-11 das "postvirale fatigue Syndrom" als 8E49 eingetragen.

Epstein-Barr-Virus im dringenden Tatverdacht

Während es sich bei Post Covid naturgemäß um ein junges Forschungsgebiet handelt, werden derartige Zustandsbilder bei anderen Virenerkrankungen schon seit längerem untersucht. Einer der Hauptverdächtigen: Das Epstein-Barr-Virus (EBV), der Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers. Auch als "Kissing-Disease" oder Studentenkrankheit bekannt, da es vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auftritt, die einander allzu nahekommen. EBV kann akut zu Fieber, einer Mandelentzündung, geschwollenen Lymphknoten und einer vergrößerten Milz führen. Wie alle anderen Herpesviren verbleibt es nach überstandener Erkrankung im Körper. Die Durchseuchung ist hoch, 90 Prozent aller Menschen tragen das Virus in sich, auch wenn es bei vielen davon nicht zu einer Erkrankung kam.

Epstein-Barr-Viren sind hartnäckig

In manchen Fällen kann es nach Monaten oder Jahren zu einer unangenehmen Reaktivierung kommen. Einige Studien kommen zum Schluss, dass das Epstein-Barr-Virus bei Long- und Post-COVID-Betroffenen häufiger zu finden ist. Das Virus wird mit ME/CFS in Zusammenhang gebracht und kann zudem möglicherweise auch andere Erkrankungen verstärken. So dürften Personen, die das Pfeiffersche Drüsenfieber durchgemacht haben, ein höheres Risiko haben Multiple Sklerose zu bekommen.

Mögliche Immundefekte als Hintergrund

Auch wenn der Zusammenhang zwischen einer Corona-Infektion und Post-Covid evident ist, sei Vorsicht geboten, wie Michael Stingl erklärt. Denn oft sei nicht klar, ob eine bestimmte Infektion tatsächlich zu einer postviralen Fatigue geführt hat. Hier gilt es, an Erkrankungen des Immunsystems zu denken, bzw. auch eine Autoimmunerkrankung auszuschließen.
Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger wirft mit seinen Gästen einen Blick auf die Folgeschäden, die Viren in unserem Körper anrichten können, zeigt neue Forschungsergebnisse und erste therapeutische Ansätze auf.

Sendungsvorbereitung: Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich und Lydia Sprinzl

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Haben Sie Schwierigkeiten, nach durchlebter Corona-Erkrankung wieder auf die Beine zu kommen?
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Service

Im Studio:

Univ.- Prof.in Dr.in Elisabeth Puchhammer-Stöckl
Fachärztin für Hygiene und Mikrobiologie, Virologin
Leiterin des Zentrums für Virologie
Meduni Wien
Kinderspitalgasse 15A
1090 Wien
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Am Telefon:

Dr. Michael Stingl
Facharzt für Neurologie
Fachzentrum Votivpark
Garnisongasse 7/13
1090 Wien
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Kevin Thonhofer
Betroffener
Obmann der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS
Obere Augartenstraße 26 - 28
1020 Wien
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Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Österreichische Gesellschaft für ME/CFS
CFS Hilfe Österreich
Verein & Betroffeneninitiative Longcovid Austria
Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V: Was ist ME/CFS?
Michael Stingl: Infos über Long Covid
Meduni Wien: Spezifische Immunantwort gegen Epstein-Barr-Virus entdeckt
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung: EBV und MS - Impfstoffentwicklung
Ö1 Radiodoktor zu CFS

SWR: Corona-Langzeitfolgen durch das Epstein-Barr-Virus?


Buch-Tipps:

Nils Winkler, Gitta Meier, "Das Monster danach: Die neue, alte Volkskrankheit ME/CFS", Nova MD 2022

Uwe Friedrich, "Long Covid - und jetzt? Folgen von Viruserkrankungen erfolgreich begegnen", Klar Verlag 2021

Claudia Ellert, "Long Covid - Wege zu neuer Stärke: Symptome, Behandlungswege, Hilfe zur Selbsthilfe", ZS Verlag 2022

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