Johanna Schwanberg

LUXUNDLUMEN/MARLENE FRÖHLICH

Gedanken für den Tag

Sinnlichkeit und Kontemplation

Was Essens-Bilder alles offenbaren können, zeigt Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien und Präsidentin vom Icom Österreich, auf

Ich stehe vor einem Bild, das mich immer wieder zum Nachdenken bringt. Denn dieses Gemälde aus den Liechtensteinschen Sammlungen lässt sich nicht so leicht deuten. Gemalt hat es der Holländer Pieter de Bloot im 17. Jahrhundert.

Im Vordergrund ist auf einem Tisch ein üppiges Stillleben zu sehen, an dem ich mich nicht satt sehen kann. Denn es zeigt die Sinnlichkeit und Schönheit von Nahrungsmitteln. Es sind dies Äpfel, Zitronen, Eier, Zwiebel, ein Karfiol, Geflügel, Wein. Dazwischen immer wieder Symbole der Vergänglichkeit wie eine abgebrannte Kerze. Auffällig auch eine Katze, die sich gerade lustvoll über einen offenbar nicht für sie gedachten Fisch hermacht; eine Szene, die verdeutlicht, dass Essen stets auch mit dem Gefressen-Werden zu tun hat.

Das Stillleben im Vordergrund ist bei weitem nicht alles, was mich an dem Bild begeistert. Denn im Hintergrund sehe ich ein sakrales Motiv in Gestalt von drei Menschen. Mit dem üppigen Lebensmitteltisch hat die Szene scheinbar gar nichts zu tun. Für Bibelkundige zeigt sich schnell, dass es sich hier um die Darstellung einer Stelle aus dem Lukasevangelium handelt. In ihr wird erzählt, wie Christus bei Martha und Maria zu Besuch ist, die beide unterschiedliche Ideale verkörpern: Martha steht für den aktiv arbeitenden Menschen, Maria hingegen legt mehr Wert auf die kontemplative, geistliche Hingabe.

Pieter de Bloots Bild interessiert mich, weil es für einen Wandel der Kunst im Umgang mit der Darstellung von Essen steht. Waren Lebensmittel im Mittelalter bloß Beiwerk und Symbole auf religiösen Bildern, so werden sie ab Mitte des 16. Jahrhunderts immer bedeutsamer, bis sie schließlich in den barocken Stillleben das alleinige Motiv bilden.

In Pieter de Bloots Gemälde stehen sich die Welt des Geistigen und die Welt des Sinnlichen gleichberechtigt gegenüber. Aus dem Bild kann ich nicht herauslesen, welche Welt die wichtigere ist. Das fasziniert mich und erinnert mich daran, dass es im Leben und in der Kunst nicht um ein "entweder - oder" geht. Gerade die Faschings- und Fastenzeit zeigt, dass ein Wechsel zwischen Fülle und Reduktion zum Kern des menschlichen Daseins gehört. Genauso wie die Erkenntnis, dass ich es bin, die tagtäglich entscheiden muss, was für mich zu viel und was zu wenig ist - und dies betrifft nicht nur das Essen.

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Friedrich Händel 1685 - 1759
Bearbeiter/Bearbeiterin: Roy Prendergast
Komponist/Komponistin: Georg Philipp Telemann 1681 - 1767
Gesamttitel: CASANOVA / Original Filmmusik
Titel: "Dancing at the Doge's Ball" : Rigaudon aus der Wassermusik (Water music) Suite Nr.3 in G-Dur HWV 350; Bouree aus der Feuerwerksmusik (Music for the Royal Fireworks) (G.F. Händel) und Loure aus der Tafelmusik 1 (G.P. Telemann)
Orchester: Hollywood Studio Symphony
Leitung: Sonny Kompaneck
Länge: 02:57 min
Label: Hollywood Records/EMI 3515402

weiteren Inhalt einblenden