STADTWILDTIERE/SYLVIA MARCHART
Vom Leben der Natur
Vogelzug im Wandel (2)
Fliegende Globetrotter.
Der Ornithologe Wolfgang Vogl spricht über Zugvögel.
Teil 2: Einzelkämpfer und Schwarmintelligenz
14. März 2023, 08:55
Schätzungsweise 50 Milliarden Zugvögel sind alljährlich weltweit unterwegs, davon etwa fünf Milliarden zwischen Europa und Afrika. Warum sie diese oft riesigen Strecken zurücklegen? Zugvögel verlassen ihr Brutgebiet nicht aus klimatischen Gründen, weil ihnen zu kalt ist. Sondern der Hauptgrund ist, dass sie kein Futter mehr vorfinden und deshalb in mildere Gegenden, aus unserer Sicht "in den Süden" ziehen. Vor allem Insektenfresser sind betroffen, und so macht sich alljährlich etwa die Hälfte aller heimischen Vogelarten auf den Weg. Dazu zählen der Weiß- und der Schwarzstorch, der Kranich, Wespenbussard, Kuckuck und der Mauersegler, die Rauchschwalbe, Feldlerche und die Nachtigall ebenso wie der Kiebitz, Sumpfrohrsänger und der Hausrotschwanz.
Ab wann gilt eine Art als "Zugvogel"? Die Bezeichnung trifft dann auf eine Vogelart zu, wenn sie verschiedene Jahreszeiten an unterschiedlichen Orten verbringt, wenn Brutgebiet und Winterquartier nicht ident sind. Umgekehrt werden alle Vogelarten "Standvögel" genannt, die das ganze Jahr über an einem Ort verbringen. Die Strecken, die Zugvögel zurücklegen, sind unterschiedlich lang. Etwa zwei Drittel der Vogelarten zählen zu den "Langstreckenziehern", und ein Drittel sind sogenannte "Kurzstreckenzieher". Und dann gibt es noch die Unterscheidung, ob die Vögel alleine unterwegs sind, in Schwärmen oder V-Flugformationen bilden. Alle "Reiseformen" haben ihre Vorteile: So kann vom Know-How und der Erfahrung älterer Tiere profitiert werden. Außerdem können Feinde leichter abgelenkt bzw. beeindruckt und in die Flucht geschlagen werden.
Einige Vögel legen viele tausend Kilometer zurück und überfliegen Meere, Gebirge und Wüstengebiete wie die Sahara. Ihre Körper, das Gewicht so wie die Federn, haben sich im Lauf der Evolution perfekt an diese Herausforderungen angepasst. Essenziell für das Überleben dieser Strecken ist auch die optimale Nutzung von Energie. Energiesparen ist also auch bei den Zugvögeln von großer Bedeutung. Insbesondere die V-Formation hilft: Der Flügelschlag der vorderen Tiere sorgt für kleine Aufwinde bei den nachfliegenden, schwächeren Vögeln. Gänse und Kraniche nutzen diese physikalischen Gesetze. Störche und Greifvögel nutzen insbesondere die Aufwinde: Sie lassen sich hochtragen und bewegen sich mit einer enormen Energie-Ersparnis dann im Gleitflug fort, überqueren so sogar riesige Gewässer.
Woher wissen Zugvögel, wann und wohin sie fliegen müssen? Vieles scheint angeboren, vieles ist bis heute aber auch noch nicht erforscht. Sie scheinen einen inneren Kompass zu besitzen. Aber auch optische Orientierungspunkte wie Flüsse und Gebirge werden genutzt, so wie auch Mond und Sonne. Ältere Vögel scheinen sich an Routen zu erinnern und geben ihr Wissen an die Jüngeren weiter.
Diese Reisen sind dennoch voller Gefahren: Licht- Lärm- und Umweltverschmutzung setzen auch den Zugvögeln zu, bringen sie durcheinander, können tödliche Hindernisse am Weg darstellen. Zu dem kommt der Klimawandel: Insbesondere in den letzten Jahren haben einige Arten ihr Zugverhalten dramatisch verändert, Routen umgestellt bzw. verkürzt oder die alljährlichen Reisen überhaupt eingestellt.
Service
Kostenfreie Podcasts:
Vom Leben der Natur - XML
Vom Leben der Natur - iTunes
GESPRÄCHSPARTNER:
Dr. Wolfgang Vogl
Dr. Richard Zink
Österreichische Vogelwarte der Veterinärmedizinischen Universität Wien