ORF/JOSEPH SCHIMMER
Radiokolleg
Willkommen in der digitalen Moderne
In welcher Epoche leben wir eigentlich? (4)
30. März 2023, 09:05
Die Postmoderne ist tot, es lebe die digitale Moderne. Auch auf dem Feld der Kultur haben die technologischen Umwälzungen der letzten Jahre Spuren hinterlassen. Die kulturelle Vernetzung nimmt zu, der internationale Austausch auch, kreative Köpfe zwischen Palo Alto, Tokio, Rio und London können sich heute mühelos connecten - was kreative Amalgamierungen bisher unbekannten Ausmaßes ermöglicht.
Zugleich ist, zumindest in den privilegierten Gesellschaften des globalen Nordens, eine zunehmende Sensibilisierung für ökologische Fragen und für die Anliegen bisher diskriminierter Minderheiten zu beobachten. So sehr in manchen Feldern ein Krisen- und sogar Untergangs-Diskurs dominiert: Die zivilisatorischen Fortschritte auf dem Feld der Rassismus-Kritik, der Geschlechtergerechtigkeit und der Inklusion von Menschen mit Behinderung sind unübersehbar. Das hat Auswirkungen auch auf die Kunst: "Race" und "Gender" sind in der kunsttheoretischen Debatte von heute zentrale Begriffe, ebenso wie postkoloniale Ansätze. Das bringt neben allerlei Befreiungen auch neue Tabus mit sich. Was darf in welcher Form noch wo und wie künstlerisch thematisiert werden? Darüber lässt sich trefflich streiten. Mit der vielbeschworenen Autonomie der Kunst könnte es jedenfalls für eine Weile vorbei sein: ein neuer Moralismus bricht sich Bahn, auch auf künstlerischem Gebiet.
Service
Radiokolleg-Podcast
Literatur:
Philipp Blom: "Die Unterwerfung - Anfang und Ende der menschlichen Herrschaft über die Natur", Hanser, München, 368 Seiten
Ulrike Herrmann: "Das Ende des Kapitalismus", Kiepenheuer & Witsch, Köln, 352 Seiten
Herfried Münkler: "Die Zukunft der Demokratie", Brandstätter-Verlag, Wien, 200 Seiten
Julia Ebner: "Massenradikalisierung - Wie die Mitte Extremisten zum Opfer fällt", Suhrkamp, Berlin, 360 Seiten
Thomas Piketty: "Eine kurze Geschichte der Gleichheit", C. H. Beck, München, 264 Seiten
Hans-Otto Thomashoff: "Mehr Hirn in die Politik", Ariston, München, 224 Seiten
Aleida Assmann: "Zeit und Tradition", Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 192 Seiten
Shalini Randeria (Hrsg): "Kapitalismus im 21. Jahrhundert", Passagen-Verlag, 176 Seiten
Jürgen Habermas: "Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik" Suhrkamp, Berlin, 108 Seiten