Kisch Reisen in die Ferne

1. April 2023, 06:56

Beliebtes Genre Kischs sind Berichte aus der Ferne. Bevorzugter medialer Ort der Zeit waren Zeitungsbeilagen und Feuilletons.

1932 stattet Kisch China einen Besuch ab, das damals unter dem Einfluss der britischen Kolonialmacht steht. Seine Themen sind nicht romantische Landschaften oder Sehenswürdigkeiten, sondern zumeist schreibt er Sozialreportagen, die höchst aktuell anmuten: Kinder, zumeist Mädchen, die 13 Stunden täglich in einer Textilfabrik arbeiten.

Eine Urlaubswoche im Winter: "Tsai Bi, Mädchen, achtzehn Jahre alt, aus der Provinz Tschekiang stammend, kam vor sieben Jahren mit ihren Eltern nach Schanghai. Arbeitet in Textilfabriken seit ihrem elften Lebensjahr. Erste Menses vor zehn Monaten, die nächste drei Monate später." Etwas später steht zu lesen: "Unterernährte und unterentwickelte Patientin." Vierzig Prozent der Textilarbeiter sind Mädchen und vierzig Prozent Frauen. "Dampf und Hitze und Schweißgeruch. Keine Ventilatoren. Der Mann mit dem Stock durchwandert den Saal, damit keine Stockung eintrete."

Wie mit den Menschen in kolonialen und halbkolonialen Verhältnissen gesprochen wird, das verrät der Reisereporter seinem Publikum in einer satirischen Miniatur: "Pidgin Englisch ist eine simple Sprache, hat keine Grammatik und einen kläglichen primitiven Wortschatz. . In einer fast tausendmillionenköpfigen Welt bildet sie das Verständigungsmittel zwischen den weißen Herren und den fast tausend Millionen bunter Sklaven. "Pidgin-Englisch" ist geradebrechtes Englisch, in jenem Grad geradebrecht, den der Europäer der Zunge und dem Gehirn des Farbigen für angepasst hält", schreibt Kisch.

Man fühlt sich an das Gastarbeiterdeutsch unserer Tage erinnert, wenn der Erzähler folgende Anekdote von sich gibt: "Auf den Befehl des Herren "Aufi Fenster", versteh antwortet der Diener in korrektem Englisch: "Jawohl mein Herr.. Es wäre wirklich schade, die schöne Frühlingsluft nicht zu genießen. "Daraufhin", so heißt es in der Glosse, "entließ der Kaufmann den Diener."

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler