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Medizin und Gesundheit
Neue Strategien gegen neue Allergien
Vom frühen Pollenflug zum Thunderstorm-Asthma
13. April 2023, 16:05
Einen Monat früher als gewohnt startete dieses Jahr die Pollensaison. Bereits im Jänner übergaben Hasel und Erle ihre Pollen an den Wind. Der Klimawandel zeigt damit auch Auswirkungen auf Menschen mit Pollenallergie und Asthma. Der zu milde Winter hat die Pflanzen - wieder einmal - früher zum Erblühen gebracht. Normalerweise ist der Blühbeginn der Birke Mitte März. Es ist quasi der Startschuss für die Hauptbelastungsphase für Allergikerinnen und Allergiker. Gleich nach den Gräsern zeichnet sie für die höchste Pollenmenge verantwortlich. Die klassischen Symptome sind bekannt: Rinnende Nase, Augenjucken, Niesen, bis hin zu einem Engegefühl in der Brust und Atemproblemen. Atemwegsallergien gegen Baum- oder Gräserpollen sind zudem der häufigste Grund für das Entstehen von allergischem Asthma.
Gestresste Pflanzen produzieren mehr Allergene
Zwar rechnen Expertinnen und Experten mit einer verhältnismäßig milden Saison, dennoch kann keine Entwarnung gegeben werden. Denn viele Menschen reagieren auch auf eine geringe Belastung überaus heftig, wie der Österreichische Pollenwarndienst jüngst in einer Pressekonferenz verlautbarte. Durch die Umweltbedingungen sind die Pflanzen gestresst und produzieren dadurch höhere Mengen an Allergenen, wie Forschungen der Meduni Wien zeigen konnten. Eine milde Witterung, gepaart mit Luftverschmutzung und erhöhtem CO2-Gehalt, erhöht auch die Allergenität von Pollen. Aufgrund der veränderten klimatischen Bedingungen kommt es, zum Leidwesen der Betroffenen, zudem zur Verbreitung neuer Pflanzenarten. Klassiker ist die beifußblättrige Ambrosie (Ragweed), die als besonders allergen gilt und für den Herbstheuschnupfen verantwortlich zeichnet. So gibt es mittlerweile fast ganzjährig eine Pollenbelastung.
Thunderstorm-Asthma
Ein hierzulande neues Phänomen ist das Thunderstorm-Asthma. Bei einem Gewitter werden dabei Pollenkörner, die vorher bei warmem Wetter hoch in die Luft transportiert wurden, durch starke Abwinde und mit dem aufkommenden Regen sehr schnell aus höheren Luftschichten heruntergedrückt und -gewaschen. Damit kommt es zu einem jähen Anstieg der Pollen- und Ozonbelastung. Vor einigen Jahren noch in Australien erstmals beschrieben, geht man davon aus, dass wir auch hierzulande nicht davon verschont bleiben. "Das Wissen um und die Vermeidung von Risikofaktoren sowie die Einhaltung der Allergie- und Asthmabehandlung ist für die Prävention von gewitterbedingtem Asthma entscheidend", appelliert Lungenfacharzt Felix Wantke, Leiter des Floridsdorfer Allergiezentrums in Wien.
Neue Kreuzallergien durch Insektennahrung
Seit einigen Jahren erlaubt die EU die Verarbeitung von Insekten im Essen: Mehlwürmer, Wanderheuschrecken, Hausgrillen, Buffalowürmer und die Larven des Getreideschimmelkäfers dürfen mittlerweile den Speisen beigemengt werden. Die alternative Proteinersatzquelle zu Fleisch und Fisch darf zu Lebensmitteln wie Brot oder Nudeln zugesetzt werden - allerdings nicht ohne entsprechende Kennzeichnung. Was auf den ersten Blick nur ekelig klingt, kann für manche Allergie-Betroffene bedrohliche Ausmaße annehmen: Juckreiz, Hautausschlag, Schwellung der Augenlider, Übelkeit, bis hin zum Kreislaufversagen können sich als Symptome einstellen. Oft sind Kreuzreaktionen die Ursache - Menschen, die gegen Krustentiere (etwa Shrimps) oder Hausstaubmilben Allergien haben, könnten auch hier allergisch reagieren. Ein Test in einem Allergieambulatorium kann den Betroffenen Sicherheit geben. Auch beim Verdacht auf eine Medikamentenallergie, etwa Penicillin, sollte entsprechende Tests durchgeführt werden. Die sind allerdings ziemlich aufwändig.
Hyposensibilisierung
Während das Meiden der auslösenden Allergene bei Medikamenten, Lebensmitteln oder Katzenhaaren möglich ist, lässt sich der Heuschnupfen nicht verhindern. Neben Antiallergika kommt vor allem der Hyposensibilisierung große Bedeutung zu. Bei dieser Immuntherapie wird über einen längeren Zeitraum der allergieauslösende Stoff in geringer Dosierung verabreicht, damit sich das Immunsystem daran gewöhnt und nicht mehr überreagiert. Meist werden die Substanzen mit einer Spritze unter die Haut gebracht. Vor allem für sehr junge Betroffene steht mit der sublinguale Immuntherapie mittlerweile eine kindgerechte Form der Behandlung mit Tabletten und Tropfen zur Verfügung, wie die Kinderärztin Daniela Kasparek erklärt. Diese Therapie ist ab dem dritten Lebensjahr möglich.
Dr. Ronny Tekal spricht mit seinen Gästen über die vielfältigen Formen von Allergien und wie man seinem Körper beibringt, nicht bei Kleinigkeiten zu überreagieren.
Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.
Haben Sie als Allergikerin/Allergiker die letzten Jahre vermehrt mit den Auswirkungen des Pollenflugs zu kämpfen? Wie schützen Sie sich?
Hat Ihnen eine Hyposensibilisierung geholfen?
Sind Sie auf Insekten allergisch, die Speisen beigemischt werden dürfen?
Service
Zu Gast im Ö1 Haus:
Univ.-Doz. Dr. Felix Wantke
Floridsdorfer Allergie Zentrum
Franz-Jonas-Platz 8/6
1210 Wien
Tel.: +43/1/270 25 30
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Am Telefon:
Dr.in Daniela Kasparek
FÄ für Kinder- und Jugendheilkunde, Zusatzfach Pädiatrische Pneumologie
Kinderarztpraxis
Thaliastraße 102-104/1/2
1160 Wien
Tel.: +43/(0)1/4931947
E-Mail
Homepage
Weitere Anlaufstellen und Info-Links:
Österreichische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie ÖGAI
Pressekonferenz Österreichischer Pollenwarndienst: Pollensaison 2023 - Heftiger Frühstart mit verträglicher Fortsetzung
Arbeitsgruppe Allergologie der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie
Selbsttest: Bin ich allergisch? (ECARF)
Insekten als Nahrungsmittel: Risiko für Allergiker? (MeinAllergiePortal)
Spezifische Immuntherapie (Gesundheitsministerium)
Gewitterasthma (Allergie-Informationsdienst)
Buch-Tipps:
Peter Liffler, "Der Allergie-Code: Neurodermitis, Asthma und Allergien verstehen und überwinden", Ullstein Leben 2019
Gerrit Sütfels, "Allergien? Ohne mich! Der natürliche Weg zu einem beschwerdefreien Leben", Riva Verlag 2023