Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

PICTUREDESK.COM/KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Radiokolleg

Klimaschutz ein Menschenrecht?

Wozu Menschenrechte? (2)

In den vergangenen zwei Jahren sind fünf Klimaklagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingegangen. Junge Leute, aber auch Pensionisten, Landwirte und andere Betroffene werfen Regierungen vor, durch mangelnde Klimaschutzmaßnahmen ihr Recht auf Leben und Gesundheit zu gefährden und fossile Konzerne auch vor solchen Maßnahmen zu schützen. Der Energie Charta Vertrag etwa gibt fossilen Konzernen die Macht, Staaten mittels einer Paralleljustiz auf Milliarden zu verklagen, wenn neue Gesetze zum Klimaschutz ihre Profite bedrohen.

Das Urteil in all diesen Fällen wird wichtige Präzedenzfälle schaffen, denn ein Recht auf eine gesunde Umwelt und intakte Ökosysteme oder ein Recht auf Klimaschutz gibt es weder auf Europäischer Ebene, noch in Österreich. International sind weitere 1.500 Klagen anhängig. Die werden allerdings auf zwischenstaatlicher Ebene ausgefochten, da es einen bürgernahen Menschenrechtsgerichtshof wie in Europa im internationalen System nicht gibt. Dabei hat der UN-Menschrechtsrat im vergangenen Jahr das Recht auf eine intakte Umwelt als universelles Grundrecht ausgerufen.

Die Diskrepanz zwischen der europäischen und internationalen Menschenrechtskonventionen und Instrumenten, scheint paradox, wenn man bedenkt, dass Menschenrechte ihrem Anspruch nach, universelle Gültigkeit haben und Klimaschäden oder Umweltlasten nicht auf regionale Grenzen und juristische Hoheitsgebiete zu reduzieren sind.

Ist diese Aufspaltung regionaler und internationaler Grundrechte angesichts der planetarischen Krisen noch haltbar? Wird damit nicht die Menschenrechtsidee selbst zur Quelle von Diskriminierung und Ungleichheit? Oder wird die Kluft letztlich dazu führen, dass sich auch Europa der internationalen Menschenrechtsauffassung anschließt und seinen Bürgern ein Recht auf Umwelt zugesteht?

Service

Radiokolleg-Podcast

Literaturliste

Burdon, Peter D., Earth Rights: The Theory (February 21, 2011). IUCN Academy of Environmental Law e-Journal, No. 1, 2011, U. of Adelaide Law Research Paper No. 2011-011, Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=1765386
DeGooyer, S., Hunt,A., Maxwell,L., & Moyn,S. (Eds.) (2018). Vom Recht, Rechte zu haben. Hamburg: Hamburger Edition.
D'Souza, R. (2018). What's wrong with rights? Social movements and liberal imaginations. London, UK: Pluto Press.
Kaleck,W. (2021). Die konkrete Utopie der Menschenrechte: Ein Blick zurück in die Zukunft (Originalausgabe). Frankfurt am Main: S. Fischer.
Koon, J.E. (2009) Earth jurisprudence: The moral value of nature. Environmental Law Review, 25(2), 263-340.
Maldonado-Torres,N. (2017). On the Coloniality of Human Rights. Revista Crítica De Ciencias Sociais. (114), 117-136. https://doi.org/10.4000/rccs.6793
Moses, A.D., Duranti, M., & Burke,R. (Eds.) (2020). Human rights in history. Decolonization, Self-Determination, and the Rise of Global Human Rights Politics. Cambridge: Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781108783170
Moyn, S. (2018). Not enough: Human rights in an unequal world / Samuel Moyn. Cambridge: The Belknap Press of Harvard University Press.
Nußberger, A. (2021). Die Menschenrechte: Geschichte, Philosophie, Konflikte (Originalausgabe). C.H. Beck Wissen: Vol. 2930. München: C.H. Beck.
Schmidt, Jeremy J. (2022) 'Of Kin and System: Rights of Nature and the UN Search for Earth
Jurisprudence.', Transactions of the Institute of British Geographers.

Sendereihe

Gestaltung

  • Monika Halkort

Übersicht