Fabio Luisi

BARBARA LUISI

Das Ö1 Konzert

Nielsen, Nielsen, Nielsen

Dänisches Radio-Sinfonieorchester, Dirigent: Fabio Luisi; Johnny Teyssier, Klarinette. Carl Nielsen: a) Pan und Syrinx op. 49; b) Konzert für Klarinette und Orchester op. 57; c) Symphonie Nr. 4 op. 29, "Das Unauslöschliche" (aufgenommen am 27. April im Konzerthaus Kopenhagen)

Nielsen-Ohren waren im April nach Kopenhagen ausgerichtet. In sechs Konzerten im Wochenabstand und Klarinette), Chor- und populäre Orchesterwerke.


Gallischer Nielsen

Eröffnet wurde der Abend mit "Pan und Syrinx". Ein Kritiker erlag 1918 nach der Uraufführung dem "gallischen, ziemlich debussyesken" Charakter und Charme dieser symphonischen Dichtung und entdeckte ein "Gefühl der Erneuerung, Entwicklung Meisterschaft."


Keine Kuschelklassik

Nicht zuletzt dank seiner Dramaturgie ist Nielsens Klarinettenkonzert den letzten 30 Jahren zu einem Klassiker geworden. Einprägsame Themen und Motive, klare, aparte, Instrumentation, die dem als eher weich und opulent empfundenen Klang der deutschen Spätromantik aus dem Weg geht. Einen Platz auf einer Kuschelklassik-CD wird es nicht ergattern. Heißt nicht, dass es keine sanften, besänftigenden, versöhnlichen, ja kantablen Passagen gibt. Nielsen ist ein entschiedener Vertreter der "unvoreiligen Versöhnung." Hatte ein Rezensent 1921 in Strawinskys Bläsersymphonie einen Esel schreien gehört, so hörte ein Kollege in Stockholm, als Nielsens Klarinettenkonzert wenige Monate nach Fertigstellung 1928 gespielt wurde, Gackern, Krähen, Pfeifen, Röhren und Grunzen.

Es sollte Nielsens letztes Orchesterwerk werden. Zwei Tonarten kämpfen - hörbar - um Vorherrschaft, was man aber auch aus früheren Werken Nielsens kennt. Noch zwei Antagonisten: Klarinette und Kleine Trommel. Der Trommel ist, wie in der 5. Symphonie Nielsens, die Rolle des Störenfrieds zugedacht: ohne Widerspruch nur Trägheit oder Stillstand. Sie sehen sich gezwungen, aufeinander zu hören. Am Ende wird ein Instrumenten-Stillstand erreicht. Erst das abschließende Adagio bringt Ruhe und leichte Gebietsgewinne für F-Dur: Erinnerungen an Pastorales kommen auf. Das letzte, skeptisch-versöhnliche, Wort hat die Klarinette.

Nielsen schrieb seiner Tochter: "Das Instrument und die Orchesterstimmen werden als Einzelwesen geführt (soweit möglich), aber gegen Ende erfindet die Klarinette ein leichtes und fast volkstümlich-kindliches Motiv - wie zufällig. Die anderen Instrumente hören es und stürzen sich darüber und drücken in einem bewegten und zugleich fröhlichen Tutti ihre Freude darüber aus, als wollten sie sagen: Das ist endlich was, das wir verstehen. Aber es endet nicht in dieser Welt (ich meine das Konzert), es ist ja nur eine ´soziale´ Episode." Um den Konflikt zu schärfen, auch um die Einheit der Gegensätze zu betonen, macht Nielsen einen Bogen um die klassische dreisätzige Konzertform. Das Werk ist aber in vier erkennbare Abschnitte gegliedert: ein organisch sich entwickelnder Konflikt also.


Eine Symphonie als Nationales Erbe

Mehr als zehn Jahre vor dem Klarinettenkonzert entstand ein Werk Nielsens, das 2006 in die offizielle Liste des nationalen Erbes Dänemarks aufgenommen wurde: "Det Uudslukkelige". Was dieses, unter dem aktuellen Eindruck des Weltkrieges (Uraufführung 1916) synonym für die beständige Urkraft des Lebens "Das Unauslöschliche" bezeichnete Werk von anderen unterscheidet, ist "die bewusste Zerfahrenheit der Satzgebilde" (Robert Simpson). Streichergruppen breiten aus langgedehnten Triolen- und Trillerketten Klangteppiche, dialogische Elemente (zwischen Flöte und Pauke, Violoncelli und Pauke), und Einbrüche stören den Versuch eines organischen Aufbaus. Wenn die Holzbläser sanft Gesangliches vorschlagen, melden sich die Streicher rhythmisch markant, auch solistische Einwürfe der Violinen stören die Bläser; dafür geben dann Holz- und Blechbläser den Streichern keine Ruhe. (Und nein: Nielsen zitiert keine "Volksmusik".)

Wie zuvor alle Symphonien Nielsens beginnt auch diese fortissimo, allegro, tutti. Die Abschnitte des fast 40-minütigen Werks folgen aufeinander ohne Pause. Erst vor dem, was man den 2. Abschnitt nennen könnte, merkt man: Es wird das zweite Thema sein, das sich zunächst zaghaft in den Klarinetten meldet, das den Hauptgedanken der Symphonie bilden wird. Nach Konflikten wird es recht spät, nach Kampf mit zwei Pauken, "glorioso" als Symbol des Unauslöschlichen zu hören sein.

Service

Daniel M. Grimley: "Analytical and Aesthetic Issues in Carl Nielsen´s Concerto for Clarinet and Orchestra". In: "Carl Nielsen Studies, vol. 1". The Royal Library Copenhagen 2003 (27-41).
Robert Simpson: "Carl Nielsen: Symphonist". London 1979 (1. Auflage 1952).

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Carl Nielsen/1865 - 1931
Titel: Pan og Syrinx / Pan und Syrinx, op.49 - Pastorale Szene für Orchester op. 49 Andantino (quasi allegretto)
Orchester: Danish National Symphony Orchestra
Leitung: Fabio Luisi
Länge: 08:50 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Carl Nielsen/1865 - 1931
Titel: Konzert für Klarinette und Orchester (in einem Satz) op. 57
* Allegretto un poco
* Poco Adagio
* Allegro non troppo - Adagio - Allegro vivace
Klarinettenkonzert
Solist/Solistin: Johnny Teyssier, Klarinette
Orchester: Danish National Symphony Orchestra
Leitung: Fabio Luisi
Länge: 26:00 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Carl Nielsen/1865 - 1931
Titel: Symphonie Nr.4 op.29
Populartitel: Das Unauslöschliche
* Allegro; Poco allegretto - 1.Teil
* Poco adagio quasi andante; Allegro - 2.Teil
Orchester: Danish National Symphony Orchestra
Leitung: Fabio Luisi
Länge: 38:05 min
Label: EBU

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