Auto und Reh

APA/DPA/PATRICK PLEUL

Punkt eins

Vorsicht, Reh!

Wie das Reh zum Politikum wurde und warum es so heimlich lebt. Gäste: Dr. Rudolf Neumaier, Historiker, Autor, Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege & Robin Sandfort, MSc., Wildbiologe, Fotograf. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Autofahrer aufgepasst, ist das Motto dieser Tage Anfang August, wenn "die Rehböcke vor Lust auf Fortpflanzung fast platzen", wie Rudolf Neumaier den Höhepunkt der Rehbrunft beschreibt, eines Spektakels, das die heimlichsten Bewohner der Wälder sichtbar macht - und zu einer Gefahr. Fast täglich kommt es zu Wildunfällen, warnen Polizei und Jagdverbände.

Das Reh hat eine Kulturrevolution ausgelöst und die erste große Tierschutzkampagne und ist bereits viel länger als der Wolf politisch ins Fadenkreuz geraten. Doch so heimlich und versteckt wie das Reh lebt, wird es auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen, stellt der Wildbiologe und Fotograf Robin Sandfort fest.

Über Capreolus capreolus wissen die meisten kaum Bescheid, obwohl das Reh von den Donauauen über Agrarlandschaften bis ins Gebirge vorkommt. Das Reh ist eigentlich tagaktiv, beherrscht drei Gangarten und bellt; sein eleganter Sprung ist als Fachbegriff ins Dressurreiten eingegangen - die Kapriole. Das Reh ist ein besonderer Feinschmecker und die Geiß kümmert sich lange und aufwendig um ihren Nachwuchs. Jahrhundertelang und bis heute staunt man über das Wunder der Keimruhe. Der kleinste Vertreter der Hirschartigen ist näher mit dem Elch verwandt als mit dem Hirsch, auch wenn viele Menschen bis heute glauben, das Reh sei die Frau vom Hirsch. Eine "Nebenwirkung" von Disneys Bambi.

Rehe haben die "Fähigkeit", trotz steigender Dichten unsichtbar zu werden, weil sich ihr Lebensraum massiv verändert, sagt Robin Sandfort: die Forstwirtschaft, die Waldstruktur, die Landwirtschaft, die Freizeitnutzung, der Jagddruck - das ganze Spektrum der Nutzungskonkurrenz. Am Reh wird - drastischer als am derzeit viel diskutierten Wolf - deutlich sichtbar, wo immer noch Gräben liegen und dass die oft zitierten "Wald-Wild-Probleme" eigentlich "Mensch-Mensch-Probleme" (Zitat Friedrich Reimoser) sind.

Über eine Tierart, deren Anmut viele Menschen auch heute rührt, die aber im Zuge unserer Lebensweise immer mehr unter Druck gerät, diskutieren als Gäste bei Barbara Zeithammer in Punkt eins der Wildbiologe und Naturschutz-Technologe Robin Sandfort und der Historiker und Autor Rudolf Neumaier.

Robin Sandfort, Wildbiologe und Fotograf, hat jahrelang am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Wiener Universität für Bodenkultur geforscht und sich mit technologiegestützter Forschung im Naturschutz und Wildtiermanagement selbstständig gemacht. Mit Drohnen vermisst er Wildschäden, mit Kamerafallen und solarbetriebenen Ohrmarken analysiert er die Raumnutzung der Rehe und entwickelt Wildwarnanlagen für Zugstrecken. Und er begeistert gern andere für die "unsichtbare Welt" am Waldrand.

Rudolf Neumaier, langjähriger Journalist, hat für sein Buch "Das Reh. Über ein sagenhaftes Tier" (Hanser Verlag) in alten Jagdtagebüchern, in denen sich der Adel enormer Strecken rühmte - nur ein Reh war nie dabei, es war als "Niederwild" nicht erwähnenswert - und in Forstliteratur vom 16. Jahrhundert bis heute recherchiert und mit seiner Kulturgeschichte zugleich ein engagiertes Plädoyer für diese Wildart verfasst. "Suche nur immer, das Tier zu vermenschlichen, so hinderst du den Menschen am Vertieren", zitiert er Felix Salten, den Autor von "Bambi".

Reden Sie mit und berichten Sie von Ihren Reh-Beobachtungen, stellen Sie Ihre Fragen. Sie erreichen uns kostenlos aus ganz Österreich unter 0800 22 69 79 und schriftlich per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Buch:
Rudolf Neumaier: Das Reh. Über ein sagenhaftes Tier. Hanser Verlag, 2022

Capreolus
Sandfort Nature - Fotografie

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer

Playlist

Komponist/Komponistin: Franz Schubert
Titel: Impromptus Op. 142, D. 935
No. 4 in F Minor Allegro
(davon 11 Sek. unterlegt)
Ausführende: Alfred Brendel
Länge: 05:26 min
Label: DGG

Komponist/Komponistin: Wolfgang Muthspiel
Titel: The Henrysons (davon 1 min. 26 Sek. unterlegt)
Ausführende: Ralph Towner, Wolfgang Muthspiel & Slava Grigoryan
Länge: 06:53 min
Label: ECM

Komponist/Komponistin: Tenpole Tudor
Komponist/Komponistin: Vivienne Westwood
Album: THE GREAT ROCK'N'ROLL SWINDLE
Titel: Who killed Bambi
(davon 9 Sek. unterlegt)
Ausführende: Sex Pistols /Gesang m.Begl.
Länge: 03:05 min
Label: Virgin CDVD 2510

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