Das Wissen der Welt

12. August 2023, 06:57

Wie verlässlich ist eigentlich das Wissen, wie es sich in einem Lexikon findet? Friedrich Arnold Brockhaus war in dieser Frage noch bemerkenswert ehrlich. Die Autoren seines Konversationslexikons seien zwar bemüht, "aus den besten Quellen zu schöpfe", sie verfahren bei der Behandlung der Gegenstände aber "nicht ohne eigene Beurteilung". Dieser subjektive Ansatz führte zu durchaus amüsanten Definitionen. So findet sich zum Beispiel zum Begriff "Politik" folgende Erläuterung: "Ich hörte einst in Göttlingen einen berühmten Mann die Politik folgender Maßen erklären: ‚sie ist die Kunst, die Menschen par force glücklich zu machen'."

Tatsächlich hatte dieser launige Zugang seine Gründe gehabt. Wissen ist stets durch individuelle Bildungserfahrungen geprägt. Zudem verstanden sich viele Mitarbeiter der frühen Enzyklopädien als Aufklärer, die als Person dafür eintreten wollten. Später jedoch war man stolz, die Wertfreiheit und Objektivität der Wissenschaften auch in ihrer lexikalischen Verdichtung darzustellen. Dementsprechend nüchtern liest sich der Eintrag zum selben Stichwort im Brockhaus von 1911: "Polit?k (grch.), Staatskunst, Weltklugheit; als Wissenschaft die Lehre von den Staatszwecken und den besten Mitteln zu deren Verwirklichung."

Gegenwärtig wird allerdings gerne wieder die These vertreten, dass das Wissen der Welt nicht unabhängig von der sozialen Lage, dem kulturellen Hintergrund, dem Geschlecht und den subjektiven Erfahrungen der Forscher ist. Ein Blick in den frühen Brockhaus zeigt also, wie rasch vermeintlich Überwundenes wiederkehren kann.

Bis heute symbolisiert der Name Brockhaus ein unablässiges Bemühen um freie Erkenntnis. Eine Würdigung, die Ende des 19. Jahrhunderts in der Zeitschrift "Die Gartenlaube" erschien, hat dafür eindringliche Worte gefunden: "Das Brockhaus'sche Konversationslexikon ist ein Buch, worüber man ein Buch schreiben könnte. Ein solches Buch wäre eine fast rührende Historie des Kampfes wider Unverstand, Böswilligkeit und sonstige feindselige Mächte …"

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• Gedanken für den Tag

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• Alexandra Mantler