Christian Scheib und Elke Tschaikner

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Le week-end

New York, New York! (2)

Stadtporträt New York. Zu Gast bei Charlie Parker, Charles Ives und Charly Ratzer. (2)

Mit Musik von den Marx Brothers, Dmitri Schostakowitsch, Charlie Parker, Charles Ives, Charly Ratzer, Thad Jones und Mel Lewis, Robert Ashley und anderen

Downtown, das Greenwhich Village, die charmante Gegend um die Carmine Street, oder die noch in den 70er Jahren fast industriell wirkenden Blöcke rund um die Prince Street, überall dort waren für Jahrzehnte die Künstler zu Hause. Als die Gegend im Laufe der 80er Jahre dann mainstream-mäßig chic wird, müssen viele von ihnen ausweichen. Robert Ashley war einer, der bis zu seinem Tod 2014 dort wohnen blieb. Und er ist ein Komponist und Performer, der auf eine bis heute viel zu wenig beachtete Weise das Genre Oper neu erfand. Erzählen in Musik, und das auf Amerikanisch: Robert Ashley spürte dem Klang des amerikanischen Idioms nach und formte daraus musikalische Wunderwerke an artikulatorischer Feinheit. Und viele seiner Opern erzählen auch vom amerikanische Alltag, beispielsweise "Improvement - Don Leaves Linda". Linda sitzt mit ihren Bridge-Freundinnen zusammen und erzählt, was ihr gerade erwachsen werdender Sohn ihr in einem Brief geschrieben habe. Es gehe ihm gut, und sie sei zwar irgendwie ratlos, aber doch glücklich darüber, was er schreibe. Robert Ashley und eine der beiden Stammsängerinnen seiner kleinen fixen Truppe machen daraus ein wunderbar feines Stimmungsbild, gesungen und dabei wahrlich erzählt von der großartigen Jacqueline Humbert.

Wir sind inzwischen in Midtown Manhattan, südlich des Central Park. Ein Streifzug jetzt durch eine Straße, die viele, liebe- und respektvolle Kosenamen hat. Man nannte sie Swing Street, oder The Street that never sleeps oder Street of Jazz. Und in den 1940er Jahren reichte es auch, dem Taxifahrer einfach zu sagen, man wolle in The Street, in die Straße, wenn man in die 52nd Street chauffiert werden wollte. Dort reiht sich ein Jazzclub an den nächsten, das Onyx, das Downbeat, das Birdland. Und Charlie Parker, Ella Fitzgerald, Ben Webster, Dizzy Gillespie spielen jede Nacht. "Die Musiker zogen von einem Club zum anderen und fühlten sich wie in einer Bruderschaft, in der sie in einer Straße die ganze Geschichte des Jazz spielen und hören konnten" erinnert sich Shelly Manne an die Zeit, in der in langen Nächten in der 52nd Street der Bebop zur Welt kam. Charlie Parker huldigt der Jazzstraße in einer seiner Kompositionen. Und das Oscar Peterson Trio spielt das 52nd Street Theme so, dass das wilde, euphorische, kreative Leben in den Clubs in dieser Straße in jedem Ton spürbar wird.

Auf unserer Reise von Downtown nach Uptown bleiben wir nun nach dem Besuch im 50er Jahre Jazz-Eldorado der 52nd Street ein paar U-Bahnstationen lang sitzen und steigen erst oben beim Central Park wieder aus. Dem widmet im Jahr 1906 der Komponist Charles Ives eine Komposition, die ihrerseits wiederum noch ein wenig in die Vergangenheit zurückdenkt. Das Stück sei ein "Picture in Sound", schreibt Charles Ives, über den Klang des Central Parks 30 Jahre früher, als es noch "weder Verbrennungsmotoren noch Radios" gegeben habe. Laute nächtliche Unterhaltungslokale, vorbeimarschierende Blasmusikkapellen und lärmende Verkäufer gibt es allerdings auch schon im 19. Jahrhundert und dieses Stimmengewirr lässt Charles Ives im Mittelteil seiner Komposition "Central Park in the Dark" auch auftreten. Simultan natürlich. Ein New York Stück mit dem Quasi-Untertitel "wehen sittig on a Bensch in Central Park on a hott Summers nicht", um ein weiteres Mal Charles Ives zu zitieren. Central Park in the Dark, die Streicher lassen uns hören, wie der New Yorker Central Park nächtlicherweile klingt, nachdem sich die zwischenzeitlichen Aufregungen wieder gelegt haben.

Nördlich des Central Park, in Harlem, im Apollo Theatre, gibt es nun zum Abschluss großes Theater der Gefühle. Lost Someone - heißt es da und James Brown spielt alle seine Entertainerqualitäten aus. Die Intensitätsschraube wird gnadenlos immer weiter gedreht: Brown bettelt, beschwört, droht, er wendet sich an sein Publikum, umgarnt es, tänzelt herum, bittet um Hilfe und Erlösung für seine Seelenpein und bekommt jede Menge Gekreische und zustimmende "Yeahs" zu hören. The Godfather of Soul am 24. Oktober 1962 auf einer Theaterbühne, auf der viele Karrieren ihren Anfang genommen haben und dessen Publikum sich niemals mit lauwarmen Performances zufrieden geben würde. Wir sind mit James Brown in Harlem at the Apollo Theatre gelandet. Heißer wird es nicht mehr in New York.

Sendereihe

Gestaltung

  • Elke Tschaikner
  • Christian Scheib

Playlist

Komponist/Komponistin: Walter Jurmann/1903 - 1971
Komponist/Komponistin: Bronislaw Kaper/1902 - 1983
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Ned Washington/1901 - 1976
Titel: Chico plays piano < "All I do is dream of you" >
Solist/Solistin: Allan Jones /Tenor
Solist/Solistin: Chico Marx /Klavier
Orchester: Filmorchester
Chor: Chor
Länge: 01:46 min
Label: Chansons Cinema/Iris M./harmon

Komponist/Komponistin: Dimitri Schostakowitsch/1906 - 1975
Titel: Symphonie Nr.7 in C-Dur op.60
* Allegretto - 1.Satz
Orchester: NBC Symphony Orchestra
Leitung: Arturo Toscanini
Länge: 04:30 min
Label: RCA GD 60293

Komponist/Komponistin: Karl Ratzer
Titel: Southern People
Ausführende: Karl Ratzer Group
Länge: 03:19 min
Label: CMP Records CMP 7 ST

Komponist/Komponistin: Bob Dylan/geb.1941
Titel: Talkin' New York
Solist/Solistin: Bob Dylan /Gesang m.Begl.
Länge: 03:17 min
Label: Columbia/Sony BMG COL 5198912

Komponist/Komponistin: Robert Ashley
Titel: Improvement
Titel: The Bridge Game
Solist/Solistin: Jacqueline Humbert (Linda)
Solist/Solistin: Sam Ashley (Junior, Jr.)
Länge: 05:03 min
Label: Elektra Nonesuch 79289-2

Komponist/Komponistin: Buck Clayton
Komponist/Komponistin: Dave Lambert
Komponist/Komponistin: Jon Hendricks
Titel: Avenue C
Album: Sing A Song Of Basie
Solist/Solistin: Dave Lambert
Solist/Solistin: Jon Hendricks
Solist/Solistin: Annie Ross
Länge: 02:53 min
Label: Impulse

Urheber/Urheberin: Thelonious Monk
Titel: 52nd Street theme (DS02/80162_H)
Ausführender/Ausführende: Oscar Peterson Trio
Ausführender/Ausführende: Roy Eldridge
Ausführender/Ausführende: Sonny Stitt
Ausführender/Ausführende: Jo Jones
Länge: 04:00 min
Label: Verve MG V-8239

Komponist/Komponistin: Charles Ives/1874 - 1954
Titel: Central Park in The Dark - für Orchester
* Molto Adagio
Orchester: New York Philharmonic
Leitung: Leonard Bernstein
Leitung: Seiji Ozawa
Leitung: Maurice Peress
Länge: 07:52 min
Label: Sony SMK 47568

Komponist/Komponistin: Thad Jones
Titel: Central Park North
Solist/Solistin: Thad Jones
Solist/Solistin: Mel Lewis
Länge: 11:00 min
Label: A&M Records SP-724

Komponist/Komponistin: Ruggiero Leoncavallo/1857 - 1919
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Ruggiero Leoncavallo
Titel: Recitar Mentre preso dal delirio...Vesti la giubba / Szene und Arie des Canio a.d.Oper in 2 Akten mit Prolog "I Pagliacci / Der Bajazzo" 1.Akt
Anderssprachiger Titel: Jetzt spielen, wo mich Wahnsinn umkrallet...Hüll dich in Tand nur
Solist/Solistin: Enrico Caruso /Canio, Tenor
Orchester: Orchester u.Dirigent nicht angegeben
Ausführender/Ausführende: Enrico CARUSO/27.2.1873 Neapel - 2.8.1921 Neapel
Länge: 03:13 min
Label: ASV CD AJA 5228

Komponist/Komponistin: James Brown
Komponist/Komponistin: "Baby" Lloyd Stallworth
Komponist/Komponistin: Bobby Byrd
Titel: Lost Someone
Solist/Solistin: James Brown
Ausführende: James Brown Band
Länge: 04:00 min
Label: Polydor

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